Urteilsanalyse
Schadenersatzanspruch aus Wohngebäudeversicherung bei Überschwemmung
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© Dirk-Carsten Günther
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Der verständige, durchschnittliche Versicherungsnehmer kann nicht davon ausgehen, dass jegliche Formen von wasserbedingten Schäden von der Wohngebäudeversicherung übernommen werden, sofern die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Deckung von Schäden durch Überschwemmungen bestimmte, für die Entstehung der Überschwemmung verantwortliche, Varianten voraussetzen. Dies hat das Landgericht Mönchengladbach entschieden.

Prof. Dr. Dirk-Carsten Günther, 1. Mrz 2021.

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Dirk-Carsten Günther
BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, Köln

Aus beck-fachdienst Versicherungsrecht 3/2021 vom 12.02.2021

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VVG § 1; VGB 2013 §§ 1, 4, 7

Sachverhalt

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einer Wohngebäudeversicherung. Der Kläger bewohnt ein in seinem Eigentum stehendes Wohnhaus.

Teil des Versicherungsvertrags sind die Musterbedingungen der VGB 2013. In § 4 Ziff. 3 lit. a ist geregelt, dass Überschwemmungen die Überflutung des Grund und Bodens des Versicherungsgrundstückes mit erheblichen Mengen von Oberflächenwasser seien. Dies könne unter anderem durch Hochwasser (aa), Witterungsniederschläge (bb) oder den Austritt von Grundwasser an die Erdoberfläche infolge von Hochwasser oder Witterungsniederschlägen erfolgen (cc).

Im Rahmen eines Unwetters kam es zu einem Regenereignis. Ein Kellerlichtschacht des Wohngebäudes lief mit Niederschlagwasser voll. In die Kellerinnenräume drang Wasser ein. Der Schaden wurde der Versicherung gemeldet, woraufhin diese einen Mitarbeiter zur Ortsbegehung schickte, der die Schäden im Keller besichtigte. Dieser kam zu der Schlussfolgerung, dass die eingetretenen Schäden im Keller nicht durch eingedrungenes Regenwasser, sondern durch das in das Mauerwerk eingedrungene Grundwasser entstanden seien.

Der Kläger beauftragte sodann einen Privatsachverständigen, welcher zu dem Ergebnis kam, dass es sich bei der Schadensursache um den Eintritt von Niederschlagwasser in Folge von Starkregen handle. Der Kläger beauftragte verschiedene Handwerker mit Trocknungs- und Schadensbeseitigungsarbeiten. Die ihm für die Schadensbeseitigung entstandenen Kosten macht der Kläger gegenüber der Beklagten geltend.

Rechtliche Wertung

Das LG Mönchengladbach hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz eines Schadens gemäß § 1 VVG in Verbindung mit §§ 1, 4, 7 VGB 2013.

Für die Ersatzfähigkeit des Schadens fehle es bereits an einem bedingungsgemäßen Versicherungsfall gemäß § 1 VGB 2013. Die Parteien hätten vereinbart, dass auch Elementargefahren wie Überschwemmungen unter die versicherten Gefahren fallen. Hier liege aber keine bedingungsgemäße Überschwemmung gemäß §§ 1 Ziff. 1 lit. c, 4 Ziff. 1 lit. b) aa) VGB 2013 vor.

Allgemeine Versicherungsbedingungen seien so auszulegen, wie sie von einem verständigen und redlichen Versicherungsnehmer unter Abwägung der Interessen der beteiligten Kreise verstanden würden. Der Versicherungsnehmer würde insoweit erkennen, dass der Versicherungsvertrag ihn nicht absichert gegen jegliche durch Wasser verursachte Schäden an seinem Wohngebäude, sondern ihn nur schützen solle vor den nachteiligen Auswirkungen elementarer Schadensereignisse. Vor diesem Hintergrund erschließe sich der Begriff der Überschwemmung unter Rückgriff auf den allgemeinen Sprachgebrauch. Danach liege eine Überschwemmung im Sinn der Klausel vor, wenn Wasser in erheblichem Umfang meist mit schädlichen Wirkungen nicht auf normalem Wege abfließt, sondern auf sonst nicht in Anspruch genommenem Gelände in Erscheinung tritt und dieses überflutet. Nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers sei eine - in den Bedingungen nicht näher definierte - «Überflutung» dann anzunehmen, wenn sich erhebliche Wassermengen auf der Geländeoberfläche ansammeln, wobei ein versicherter Überschwemmungsschaden nicht voraussetze, dass das gesamte Grundstück überflutet ist.

Diesem Verständnis folgend, unterfiele hingegen die Anstauung von Wassermassen auf Flachdächern, gepflasterten Terrassen oder Balkonen aufgrund mangelnder Entwässerung nicht dem Versicherungsschutz. Ebenso wenig entspreche nach dem allgemeinen Sprachgebrauch das bloßen Aufstauen von Niederschlagwasser in einem Lichtschacht infolge dessen unzureichender Entwässerung dem Bild des Elementarschadens Überschwemmung. Im Sinne der Versicherungsbedingungen handele es sich bei der Terrasse bereits nicht um Grund und Boden, auf dem das versicherte Gebäude steht. Zudem sei das fehlende Abfließen des Wassers vielmehr jeweils auf die bauliche Beschaffenheit (Versiegelung; Vertiefung) zurückzuführen, wofür der durchschnittliche Versicherungsnehmer keinen Versicherungsschutz aus der Elementarversicherung erwarten könne. Diesem zugrunde gelegt, sei das Gericht hier von dem Eintritt einer bedingungsgemäßen Überschwemmung nicht überzeugt.

Praxishinweis

Das LG Mönchengladbach entscheidet ähnlich wie andere Gerichte zugunsten des Versicherers in der Frage, was genau unter den Elementarschaden Überschwemmung fällt. An den Begriff der Überschwemmung werden demnach hohe Anforderungen gestellt.

So nahm der BGH in seinem Urteil vom 26.04.2005 (Az.: IV ZR 154/05, VersR 2006, 966) an, das Vorliegen einer Überschwemmung setze voraus, dass der Abfluss einer bedeutenden Menge von Wasser in der Regel mit nachteiligen Auswirkungen auf einem dafür nicht vorgesehenen Weg erfolgen müsse, und dass dadurch eine Überflutung von ansonsten nicht betroffenem Gelände entsteht.

Für eine «Überflutung» bedarf es dagegen der Ansammlung einer bedeutenden Menge von Wasser auf mindestens einem Teil des vom Versicherungsvertrag umfassten Grundstücks (BGH Urteil vom 20.04.2005- IV ZR 252/03- NJW-RR 2005, 1052; ausführlich dazu Güntherin Langheid/Wandt, Münchener Kommentar zum VVG, Elementarversicherung, Rn. 37 ff.).

Des Weiteren entschieden bereits zahlreiche andere Gerichte, dass ein Versicherungsschutz nicht gegeben sei, wenn sich eine bedeutende Menge von Wasser auf Flachdächern, gepflasterten Terrassen oder Balkonen anstaut und keine angemessene Entwässerung vorgenommen wird (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 20.09.2011- 12 U 92/11, BeckRS 2011, 23301, Besprechung durch Gramsin FD-VersR 2011, 323294; OLG Köln, VersR 2013, 1174, Besprechung durch Güntherin FD-VersR 2013, 346532).

LG Mönchengladbach, Urteil vom 30.04.2020 - 1 O 278/18, BeckRS 2020, 39857