Urteilsanalyse
Rügeerfordernis bei Staffelmiete
Urteilsanalyse
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Bei vereinbarter Staffelmiete wirkt nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs eine vom Mieter nach § 556g Abs. 2 BGB aF erhobene Rüge in der folgenden Mietstaffel fort und muss nicht wiederholt werden.

16. Sep 2022


Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff,  Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 19/2022 vom 15.09.2022

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Sachverhalt

Die Parteien sind durch einen Wohnraummietvertrag über eine Wohnung in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt miteinander verbunden, der eine Staffelmietvereinbarung enthält. Nachdem der Mieter einen Verstoß gegen die Mietpreisbremse rügt und umfassend Auskunft gefordert hatte, die er nicht erhielt, klagt er u.a. auf Auskunft und Rückzahlung zu viel gezahlter Miete. Das Amtsgericht verurteilte den Vermieter zur Auskunft, zur Rückzahlung jedoch nur, soweit der Zeitraum bis zur Rüge, somit nicht mehr für die dritte Staffel betroffen war. Zur Begründung führt das AG aus, dass die Rüge nur für die jeweils bis dahin geltenden Staffeln wirke; für die dritte Staffel, die erst nach der Rüge wirksam wurde, hätte der Mieter erneut rügen müssen. Die Berufung des Mieters hatte keinen Erfolg. Hiergegen wendet er sich mit seiner Revision.

Entscheidung

Die Revision hat Erfolg.

Entgegen der vorinstanzlichen Ansicht müsse die – hier während des Laufs der zweiten Mietstaffel – erhobene Rüge nach Ablauf dieser Mietstaffel nicht wiederholt werden, sondern erfasse auch die Folgestaffeln. Das AG habe zur Begründung seiner abweichenden Auffassung die Vorschrift des § 557a Abs. 4 Satz 1 BGB herangezogen, wonach die Vorschriften der §§ 556d bis 556g BGB auf jede Mietstaffel anzuwenden seien. Daraus habe das AG gefolgert, bei Staffelmietvereinbarungen sei die Rüge eines Verstoßes gegen die Mietbegrenzung gesondert während jeder Staffel zu erheben und müsse deshalb ggf. wiederholt werden. Diese rechtliche Beurteilung treffe nicht zu.

Allerdings könne der Wortlaut des § 557a Abs. 4 Satz 1 BGB, der auch schon während der Geltung des § 556g Abs. 2 BGB aF bestimmt habe, dass die „§§ 556d bis 556g […] auf jede Mietstaffel“ anzuwenden seien, dafür sprechen, dass bei einer vereinbarten Staffelmiete der Rückzahlungsanspruch des Mieters wegen eines Verstoßes des Vermieters gegen die Mietbegrenzung nur dann entsteht, wenn der Mieter eine Rüge in jeder Mietstaffel erhebt, so dass er eine bereits erhobene Rüge in der folgenden Mietstaffel wiederholen müsse. Indes sei der Wortlaut des § 557a Abs. 4 Satz 1 BGB nicht eindeutig. Vielmehr spreche der enge Zusammenhang mit § 557a Abs. 4 Satz 2 BGB dafür, dass dem Gesetzgeber nicht daran gelegen gewesen sei, das Rügeerfordernis zulasten des Mieters auszudehnen, sondern er nur die Berechnung der zulässigen Miethöhe bei vereinbarter Staffelmiete konkretisieren wollte. Denn § 557a Abs. 4 Satz 2 BGB stelle ausdrücklich auf die „Berechnung“ der Miete ab und bestimme, dass für die „Berechnung“ der nach § 556d Abs. 1 BGB zulässigen Höhe der zweiten und aller weiteren Mietstaffeln statt des Beginns des Mietverhältnisses der Zeitpunkt maßgeblich sei, zu dem die erste Miete der jeweiligen Mietstaffel fällig werde.

Gegen das Erfordernis, eine einmal erhobene Rüge nach Ablauf einer Mietstaffel zu wiederholen, sprächen insbesondere der Regelungszweck des § 557a Abs. 4 BGB sowie der Sinn und Zweck des Rügeerfordernisses gem. § 556g Abs. 2 BGB aF. Die Bestimmung des § 557a Abs. 4 BGB solle gewährleisten, dass nicht nur die erste vereinbarte Miete (hierfür gelte § 556d BGB unmittelbar), sondern auch alle für die folgenden Staffeln vereinbarten Mieten grundsätzlich die ortsübliche Vergleichsmiete um nicht mehr als 10 % übersteigen. Dies habe der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien deshalb als erforderlich erachtet, weil er zugunsten des Mieters verhindern wollte, dass die Mietenbegrenzung des § 556d BGB durch Staffelmietvereinbarungen, die erhebliche Preissprünge zulassen, faktisch umgangen werde. Der Gesetzgeber habe daher nicht beabsichtigt, die Anforderungen an das Rückzahlungsverlangen zulasten des Mieters zu erhöhen.

Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck der Rüge gem. § 556g Abs. 2 BGB aF. Nach dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommenen Regelungszweck solle die Erhebung einer (qualifizierten) Rüge dazu dienen, den Vermieter darüber in Kenntnis zu setzen, aus welchen Gründen, in welcher Höhe und ab welchem Zeitpunkt eine Rückerstattung verlangt werde. Auch dieser Gesetzeszweck gebiete es, bei vereinbarter Staffelmiete einer Rüge gem. § 556g Abs. 2 BGB aF die Fortwirkung für weitere Mietstaffeln nicht abzusprechen. Denn der Vermieter dürfe bei Erhebung einer Rüge, die sich gegen die Höhe der Miete einer niedrigeren Staffelstufe richte, grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass der Mieter die für nachfolgende Mietstaffeln vereinbarte höhere Miete billigen wolle.

Praxishinweis

Mit überzeugender Begründung entscheidet der BGH vorliegend, dass bei einer vereinbarten Staffelmiete eine einmal erhobene Rüge für die folgenden Mietstaffeln fortwirkt und der Mieter die Rüge nicht für jede Staffel wiederholen muss.

Dies trägt dem Willen des Gesetzgebers Rechnung, der es für notwendig erachtete, die Regelungen zur Mietpreisbremse mit Wirkung zum 01.04.2020 zu verschärfen. War es vorher nur möglich, zu viel gezahlte Miete ab dem Zeitpunkt der Rüge zurückzuverlangen, sieht der neu eingeführte § 556g Abs. 2 Satz 3 BGB vor, dass der Mieter auch rückwirkend überzahlte Miete zurückverlangen kann, wenn er innerhalb von 30 Monaten nach Beginn des Mietverhältnisses einen Verstoß gegen die Regelungen der Mietpreisbremse rügt.

Die Verschärfung hat der Gesetzgeber für erforderlich erachtet, weil er zugunsten des Mieters verhindern wollte, dass die Mietenbegrenzung des § 556d BGB durch Staffelmietvereinbarungen, die erhebliche Preissprünge zulassen, faktisch umgangen wird (BT-Drs. 18/3121, 16, 34).


BGH, Versäumnisurteil vom 30.03.2022 - VIII ZR 279/21 (LG Berlin), BeckRS 2022, 11981