Anmerkung von Rechtsanwältin Nathalie C. Frohnmeyer, Knierim & Kollegen, Mainz
Aus beck-fachdienst Strafrecht 16/2022 vom 11.08.2022
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Sachverhalt
Das LG verurteilte den Angeklagten (A) unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung und versuchter Nötigung zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Gegen diese Entscheidung legte A Revision, gestützt auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts, ein. Nach den Feststellungen der Urteilsgründe erlaubte der Geschädigte (G) dem A, Betäubungsmittel in einem Kellerraum zu lagern, der zu seiner Wohnung gehörte. Als die dort gelagerten Betäubungsmittel jedoch abhandenkamen, ging A wahrscheinlich davon aus, dass G hierfür verantwortlich war. Daher begab sich A gemeinsam mit einem Begleiter (B) in die Wohnung des G, um ihn dazu aufzufordern, bis Ende des Monats neue Betäubungsmittel zu beschaffen oder an ihn 1.200 EUR „Schadensersatz“ zu leisten. A schlug sodann mit einem Teleskopschlagstock auf G ein und fügte ihm eine leichte Schnittwunde mit einem Messer zu. Dies tat er, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen. Zudem erklärte er G, dass er seine Freundin umbringen werde, wenn er seine Forderung nicht erfülle. Daraufhin versprach G, aus Angst vor erneuten Misshandlungen, die Zahlung zu erbringen. G leistete der Forderung allerdings nicht Folge, sondern erstattete Anzeige. Das LG wertete die Tat als gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung und mit versuchter Nötigung.
Entscheidung
Die Revision des A führe zu einer Änderung des Schulspruchs. Zunächst seien die Feststellungen rechtsfehlerfrei getroffen worden und tragen die Verurteilung zu diesem Tatgeschehen. Die tatbestandlich ebenfalls verwirklichte Strafbarkeit wegen Bedrohung gem. § 241 StGB trete dagegen hinter die Strafbarkeit der versuchten Nötigung gem. §§ 240 Abs. 1 und 3, 22, 23 StGB im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurück. Die tateinheitliche Verurteilung wegen Bedrohung müsse daher in den Urteilsgründen entfallen. Die Änderung des Schulspruchs lasse die Einheitsjugendstrafe unberührt, da auszuschließen sei, dass das LG eine geringere Strafe verhängt hätte, wenn sie das Zurücktreten der Strafbarkeit der Bedrohung beachtet hätte.
Praxishinweis
Mit dem vorliegenden Beschluss folgt der BGH der in der stetigen Rspr. vorherrschenden Auffassung, wonach die Bedrohung hinter eine gleichzeitig begangene, versuchte Nötigung im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurücktritt (BGH NStZ-RR 2014, 208). Diese Rechtsprechung überzeugt vor dem Hintergrund, dass die Nötigung ein Erfolgsdelikt darstellt, welches auch im Falle der Nichtvollendung die Bedrohung, als abstraktes Gefährdungsdelikt, verdrängt (BGH BeckRS 2020, 29963). Nach anderer Auffassung ist diese Konstellation allerdings als eine Idealkonkurrenz zu werten, mit der Folge, dass die Bedrohung aus Klarstellungsgesichtspunkten im Schuldspruch bestehen bleiben soll (so etwa Kindhäuser/Neumann/Paffgen-StGB/Toepel, § 240 Rn. 202). Argumentiert wird damit, dass ansonsten die berechtigten Opferbelange und die damit einhergehende Genugtuungsfunktion nicht ausreichend zum Ausdruck komme (BayObLG NJW 2003, 911). Folgte man dieser Ansicht, wäre das systematische Verhältnis jedoch nicht richtig wiedergegeben. Die Bedrohung sanktioniert gegenüber der versuchten Nötigung kein selbstständiges Unrecht (Schönke/Schröder-StGB/Eisele, § 241 Rn. 16). Das Unrecht der Nötigung wiegt zudem schwerer, was an den Strafrahmen deutlich wird. Die Strafobergrenze der versuchten Nötigung, mit zwei Jahren und drei Monaten, liegt weit über der Strafobergrenze der Bedrohung von einem Jahr (BGH NStZ 2006, 342). Systematisch überzeugt daher die Ansicht des BGH (MüKo-StGB/Sinn, § 240 Rn. 167). Allerdings kommt die Annahme von Idealkonkurrenz der Delikte auch dann wieder in Betracht, wenn sich die Bedrohung nicht nur gegen eine, sondern gegen mehrere Personen richtet (Schönke/Schröder-StGB/Eisele, § 241 Rn. 16).
BGH, Beschluss vom 29.06.2022 - 3 StR 161/22 (LG Kleve), BeckRS 2022, 17553