Urteilsanalyse
Rückgriff des Unfallversicherungsträgers gegen den Durchgangsarzt
Urteilsanalyse
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Nimmt der Unfallversicherungsträger einen Durchgangsarzt wegen Verletzung seiner sich aus dem Vertrag gem. § 34 Abs. 3 SGB VII folgenden Pflichten in Anspruch, sind - so der BGH - für die Entscheidung die Sozialgerichte gem. § 51 SGG zuständig.

4. Mai 2023

Rechtsanwalt Prof. Dr. Hermann Plagemann, Plagemann Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Frankfurt am Main

Aus beck-fachdienst Sozialversicherungsrecht 08/2023 vom 28.04.2023

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Sachverhalt

Die Klägerin ist Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung; der Beklagte ein für sie tätiger Durchgangsarzt. Zwischen den Parteien gilt der Vertrag gem. § 34 Abs. 3 SGB VII über die Durchführung der Heilbehandlung und die Vergütung der Ärzte.

Am 13.12.2012 erlitt der Versicherte S. der Klägerin einen Arbeitsunfall, bei dem er sich eine Verletzung des linken Beines zuzog. Er wurde in ein Krankenhaus eingeliefert, in dem der Beklagte als Durchgangsarzt tätig war. Er untersuchte den Versicherten nicht persönlich, sondern setzte hierfür den ebenfalls an dem Krankenhaus tätigen Arzt M. ein. Dieser diagnostizierte eine linksseitige Sprunggelenks- und Fußdistorsion. Knapp eine Woche später wurden in einem anderen Krankenhaus eine Tibiafraktur, eine Luxation des linken Kniegelenks sowie ein Kompartmentsyndrom am linken Unterschenkel diagnostiziert, welche in der Folgezeit operativ behandelt wurden.

Die Klägerin meint, der Beklagte habe gegen eine aus § 24 Abs. 3 folgende Verpflichtung zur persönlichen Untersuchung und Behandlung des Versicherten verstoßen. Der Arzt M. habe – in seiner Vertretung – fehlerhaft weitere Untersuchungen unterlassen. Mit der beim Landgericht erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst Feststellungsklage erhoben, später Zahlung verlangt wegen behaupteter Mehraufwendungen aufgrund der vermeintlichen Pflichtverletzungen.

Das LG hat den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Dortmund verwiesen. Die sofortigen Beschwerden beider Parteien hat das OLG als Beschwerdegericht zurückgewiesen. Dagegen richten sich die Rechtsbeschwerden beider Parteien.

Entscheidung

Der BGH weist die Rechtsbeschwerden zurück. Zuständig für diese Klage ist ausschließlich das Sozialgericht gem. § 51 SGG. Bei den Parteien des Vertrages nach § 34 Abs. 3 SGB VII über die Durchführung der Heilbehandlung von Unfallverletzten handelt es sich um ein Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlicher Natur. Dass die Klägerin die Ansprüche auf § 280 BGB stützt, ist unerheblich. Für öffentlich-rechtliche Verträge aus dem Bereich des Sozialrechts gelten die Vorschriften des BGB entsprechend (§ 61 SGB X). Der von der Rechtsbeschwerde gezogene Vergleich mit dem als bürgerlich-rechtlich angesehenen Aufwendungsersatzanspruch aus § 110 SGB VII geht fehlt, da dieser Anspruch sich auch gegen Dritte richten kann.

Vermeintliche privatrechtliche gem. § 116 SGB X auf die Klägerin übergegangene Ansprüche sind hier nicht geltend gemacht worden. Die ordentlichen Gerichte sind vorliegend auch nicht kraft einer Sonderzuweisung gem. Art. 34 Satz 3 GG zuständig. Denn die Klage stellt sich nicht als Rückgriff der Klägerin gegen den Beklagten i.S.d. Art. 34 Satz 3 GG dar.

Praxishinweis

1. In weiteren Beschlüssen des 6. Senats vom gleichen Tag wird diese Rechtsauffassung bestätigt und weiter klargestellt, dass der Streit um den Regressanspruch nach § 116 SGB X weiterhin vor den Zivilgerichten auszutragen ist. Die Frage ist nun, wie sich das Verhältnis zu dem Rückgriff nach Art. 34 Satz 3 GG darstellt. Dieser Anspruch muss vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden und setzt voraus, dass die Klägerin Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nachweist. Dies dürfte häufig schwierig sein, so dass der Anspruch aus § 280 BGB i.V.m. dem Vertrag nach § 34 Abs. 3 SGB VII näherliegt. Dennoch könnte man aus dem Recht der Amtshaftung auch entnehmen, dass der Amtsträger seinem Dienstherrn gegenüber grundsätzlich nur für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz haftet, nicht aber bei fahrlässigem Verhalten. Allerdings gilt die entsprechende Einschränkung gem. § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB nur für Beamte im staatsrechtlichen Sinne (Teichmann in: Jauernig, BGB, 18. Auflage, § 839, Rn. 34).

2. Der BGH hat in den Beschlüssen mitberücksichtigt, dass es hier zu einem „gespaltenen Rechtsweg“ kommen kann mit der Folge unterschiedlicher Beurteilungen. Dies sei aber Folge des zwingend anzuwendenden Rechts und ändere nichts an der Zuordnung zum Rechtsweg.

BGH, Beschluss vom 09.01.2023 - VI ZB 79/20, BeckRS 2023, 1822