Recht im Unternehmen

Produktpreise im Zolldschungel
Recht im Unternehmen
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Der Handelsstreit mit immer neuen Zöllen belastet nicht nur die Stimmung der Weltwirtschaft, sondern schlägt auch dem Vertrieb internationaler Unternehmen auf den Magen. Denn mit den Preisaufschlägen müssen Warenlieferungen neu kalkuliert werden. Können zusätzliche Kosten für „vor Trump“ bestellte Produkte einfach weitergegeben werden? Oder ist der Vertrieb an einmal geschlossene Vereinbarungen gebunden?

6. Mai 2025

In einem grenzüberschreitenden Kaufvertrag kann aufgrund einer Rechtswahlvereinbarung das deutsche Recht nach BGB und HGB, gegebenenfalls aber auch das internationale UN-Kaufrecht oder ein ausländisches Recht anwendbar sein. Ansonsten gilt in der Regel das Recht des Verkäuferlands. Grundsätzlich herrscht dabei der Grundsatz „pacta sunt servanda“ – Verträge sind einzuhalten. Haben Lieferant und Kunde einen Preis vereinbart, ist dieser auch bei Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bindend. Allerdings gibt es hiervon gewisse Ausnahmen.

Insbesondere langfristige Lieferverträge enthalten häufig Preisanpassungsklauseln. Ob diese auch Zölle erfassen, hängt vom Wortlaut ab: So muss etwa auf „gesetzliche Änderungen“ oder „behördliche Maßnahmen“ Bezug genommen werden. Solche Regelungen sind zwar grundsätzlich zulässig, aber nach deutschem AGB-Recht unwirksam, wenn der Vertragspartner unangemessen benachteiligt wird. Sind etwa die Voraussetzungen und der Umfang der Preisänderung nicht verständlich oder ermöglicht die Klausel eine nachträgliche Erhöhung der Gewinnspanne, kann die Gegenseite sich wehren. Wird man mit einer Erhöhung konfrontiert, ist es empfehlenswert, dies zu prüfen und ihr im Zweifel entgegenzutreten.

Ohne Preisanpassungsklausel kann sich ein Recht zu diesem Schritt aus § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) ergeben. Das UN-Kaufrecht kennt eine solche Norm nicht. Ob man sie aus allgemeinen Prinzipien herleiten kann, ist bisher gerichtlich nicht geklärt. Die Störung (hier: Einführung der Zölle), aufgrund derer eine Partei die Anpassung verlangt, darf aber nicht auf einem dieser Partei zugewiesenen Risiko beruhen. Das kann sich aus dem Vertrag ergeben: Ist beispielsweise ein Festpreis ohne Anpassungsklausel vereinbart, gehen die Gerichte davon aus, dass der Verkäufer die Gefahr von Preiserhöhungen trägt. Dabei ist stets der Gesamtkontext des Kontrakts entscheidend. Nur wenn die Grenzen des übernommenen Risikos überschritten werden – etwa, wenn die Existenz der Partei bedroht ist – , ist eine Anpassung denkbar.

Wer bei der Warenlieferung für Zölle aufzukommen hat und somit das Risiko einer Veränderung trägt, kann sich aus einer vereinbarten Incoterms©-Klausel (International Commercial Terms) der Internationalen Handelskammer (ICC) ergeben: Geregelt wird darin die Kostentragung in Bezug auf Zölle. Fehlt eine Vereinbarung, muss nach dem BGB im Zweifel der Käufer die Zölle tragen; nach dem UN-Kaufrecht entscheidet die Art der Lieferverpflichtung. Hier gilt: Der Kunde zahlt bei einer Hol-, der Veräußerer bei einer Bringschuld. Das in § 275 II BGB vorgesehene Leistungsverweigerungsrecht ist wegen der hohen Anforderungen hinsichtlich von Zöllen kaum anwendbar. Auch Art. 79 des UN-Kaufrechts sieht eine Leistungsbefreiung vor – aber nur, wenn die Nichterfüllung der Pflichten der betroffenen Partei nicht auf einem von ihr übernommenen Risiko beruht. Ausnahmen bilden lediglich Extremfälle wie die Existenzbedrohung der Vertragspartei.

Rechtliche Mittel begrenzt

Höhere Kosten durch Zölle sind bei bestehenden Verträgen ohne Preisanpassungsklausel also in aller Regel selbst zu tragen. Ein Anspruch auf eine einseitige Preiserhöhung oder die Zustimmung des Vertragspartners hierzu besteht rechtlich nicht. Wurde eine entsprechende Klausel vereinbart, ist zu prüfen, ob ihre Voraussetzungen vorliegen, wie weit sie gefasst ist und ob sie AGB-rechtlich wirksam ist. Als Ausweg aus dem Zoll-Dilemma empfiehlt sich – jenseits rechtlicher Ansprüche – , das Gespräch mit dem Vertragspartner zu suchen. Gerade bei einer langfristigen, gut funktionierenden Geschäftsbeziehung sollte auf beiden Seiten Interesse an einer einvernehmlichen Lösung bestehen. Das Aussetzen von Leistungen unter Berufung auf die verlangte Anpassung ist ohne einen entsprechenden Anspruch nicht zulässig. Der Geschäftspartner kann dann bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen den Vertrag beenden oder Schadensersatz verlangen. Das dürfte am Ende teurer sein, als die Einbußen der Zollaufschläge zu tragen.

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Nina Reinhard ist Rechtsanwältin bei Brandi Rechtsanwälte in Gütersloh, Dr. Daniel Wittig ist Partner in Paderborn.