„Das schafft man nicht nur per Videokonferenz“, so Hasso Plattner, Gründer und langjähriger Aufsichtsratschef des deutschen Software-Giganten SAP. Mitarbeiter müssten zusammensitzen, gemeinsam diskutieren und dann die besprochenen Änderungen umsetzen. Plattner positioniert sich damit klar gegen den wohl umstrittensten Trend unserer Zeit: das Homeoffice. Das kommt nicht überraschend. Denn SAP streitet sich gerade mit seinem Betriebsrat um die vom Arbeitgeber angeordnete überwiegende Rückkehr aus dem häuslichen Büro. Nur noch zwei Tage Heimarbeit pro Woche, so die neue Regelung, die ab Juni 2024 gelten sollte. Gegen den Versuch, die Arbeitnehmer wieder stärker in den Betrieb zurückzuholen, wehren sich die Belegschaftsvertreter. Nun muss die Einigungsstelle entscheiden.
Trennungsbeschleuniger
Der Fall SAP zeigt, wie brisant das Thema Homeoffice ist. In Zeiten von „social distancing“ und Quarantäne konnten Unternehmen dank Arbeit von zu Hause aus den Geschäftsbetrieb mehr oder weniger aufrechterhalten. Privilegiert waren dabei „Schreibtischtäter“, die statistisch übrigens nur ein Drittel aller Arbeitsplätze in Deutschland ausmachen. Zunächst notgedrungen, später aber zunehmend auf eigenen Wunsch, richteten sich Millionen von Beschäftigten einen häuslichen Arbeitsplatz ein. Der Gedanke, irgendwann ins Firmenbüro zurückzukehren, verblasste mehr und mehr. Man hatte sich an die vielen Vorteile gewöhnt – wie weggefallene Fahrten zum und vom Betrieb oder die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Kein Wunder also, dass die Verschärfungen der Regelungen auf heftigen Widerstand stoßen. Doch die Anordnungen zur Rückkehr haben durchaus häufig ihre Berechtigung.
Verdecktes Ziel
Derartige „Rückholaktionen“ verfolgen allerdings oft auch das verdeckte Ziel des Personalabbaus in Krisenzeiten. Gerade bei Kosten für Mitarbeiter können Unternehmen in aller Regel die meisten Ausgaben sparen. Wenn sie hier nicht rechtzeitig reagieren, droht ihnen in letzter Konsequenz die Insolvenz. Die Rückkehrverpflichtung zur Büroarbeit kann den Stellenabbau erleichtern. Denn für viele Mitarbeiter ist ein solcher Schritt undenkbar. Dies dürfte vor allem auf jene zutreffen, die sich über Jahre hinweg am häuslichen Arbeitsplatz eingerichtet haben und womöglich nur noch von dort aus arbeiten. Für sie ist die verpflichtende Rückkehr ins Firmenbüro häufig ein K.o.-Kriterium. Das Rückkehrverlangen ist dann der „Stein des Anstoßes“ für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses: Sei es, weil der Mitarbeiter aus Unzufriedenheit selbst kündigt, sich auf eine Aufhebungsvereinbarung einlässt oder wegen Verweigerung der Büroarbeit gekündigt wird.
Regelungen zwischen Tür und Angel
Wenn die Rückbeorderung arbeitsrechtlich allerdings nicht durchsetzbar ist, erweist sie sich für das Unternehmen als stumpfes Schwert. Damit fällt der Blick auf die konkrete rechtliche Ausgestaltung der Homeoffice-Vereinbarungen, sofern solche überhaupt existieren. Denn oft werden sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nur mündlich auf die Arbeit im Homeoffice geeinigt haben, ohne die konkreten Bedingungen schriftlich festzuhalten. Gerade im pandemiebedingten Chaos dürften derartige „en passant“ getroffene Vereinbarungen die Regel gewesen sein. Dies könnte vielen Firmen jetzt auf die Füße fallen. Denn ob der Arbeitgeber den Beschäftigten allein aufgrund des Direktionsrechts zurückbeordern kann, dürfte je nach vertraglicher Ausgestaltung zweifelhaft sein. Zumal der Arbeitnehmer versuchen könnte, sich auf das Entstehen einer betrieblichen Übung zu berufen. Ohne sein Einverständnis wird es also vielfach nicht möglich sein, einseitig die Rückkehr ins Büro anzuordnen. Hier scheitert dann auch der Einsatz der Rückkehrverpflichtung als „Hebel“ für den Stellenabbau.
„Wasserdichte Vereinbarungen“
Wir befinden uns in einer neuen „Ära“ des Homeoffice. Im Mittelpunkt steht nun die (unfreiwillige) Rückkehr in den Betrieb. Das mag im Einzelfall den Personalabbau erleichtern. Allerdings nur bei „wasserdichten“ Vereinbarungen. Der Teufel steckt also – wie so oft – im juristischen Detail.
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