Der Erholungsurlaub soll die Regeneration erschöpfter Arbeitskraft ermöglichen. Kann dieser Zweck aufgrund einer kollidierenden Arbeitsunfähigkeit nicht eintreten und wird diese durch eine ärztliche Bescheinigung (AU) nachgewiesen, wird der Arbeitnehmer gestellt, als wäre er nicht im Urlaub gewesen. Die Tage sind ihm nachträglich zu gewähren. Ein häufiger Irrglaube ist die automatische Verlängerung um die infolge der Krankheit "ausgefallenen" Erholungstage: Dies sieht das Gesetz nicht vor. Die ursprünglich geplante Auszeit endet mit dem letzten Tag des ursprünglich geplanten Zeitraums. Eine eigenmächtige Verlängerung der Abwesenheitszeit durch den Arbeitnehmer stellt eine Pflichtverletzung dar, die unter Umständen bis zur Kündigung führen kann.
Nicht unbegrenzt haltbar
Die Nachgewährung der infolge der Arbeitsunfähigkeit bestehenden (Rest-)Urlaubstage muss im laufenden Jahr erfolgen. Im Ausnahmefall, etwa bei Vorliegen dringender betrieblicher Belange, können die Tage in den ersten drei Kalendermonaten des Folgejahrs genommen werden. Die Definition der erforderlichen dringenden betrieblichen Belange obliegt hierbei jedoch nicht dem Arbeitgeber. Erforderlich ist im Einzelfall objektiv die Erreichung einer gewissen Erheblichkeitsschwelle. In Betracht kommt etwa die Aufrechterhaltung der Betriebsabläufe, die durch das bloße Fehlen eines Mitarbeiters allerdings nicht per se gegeben ist. Wie ein Richter in einem einstweiligen Verfügungsverfahren des Verfassers auf Urlaubsgewährung einmal ausführte: "Nur wenn der Patient sonst stirbt oder der Flieger nicht fliegt, muss der Arzt im OP und der Pilot im Cockpit bleiben."
Spannend sind die Fälle, die vermehrt zu Hauptferienzeiten auftreten: Der Urlaubsbeginn steht an, die Krankmeldung läutet unmittelbar vorab die "Erholungsphase" ein. Die genehmigte Erholungspause endet, die Krankmeldung beginnt zeitlich überlappend oder nahtlos und verlängert die Abwesenheitszeit. Oder aus einem Wochenende mit Brückentag wird ein direkter Übergang in das Fernbleiben vom Arbeitsplatz. Im besten Falle legt der Beschäftigte dann noch eine fremdsprachige, unleserliche AU vor. Eine solche sticht im Übrigen nur, wenn sie erkennen lässt, dass der "ausländische Arzt zwischen einer bloßen Erkrankung und einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit unterschieden und damit eine den Begriffen des deutschen Arbeits- und Sozialversicherungsrechts entsprechende Beurteilung vorgenommen hat" (vgl. BAG AP BUrlG § 9 Nr. 9).
Krankfeiern ist gefährlich
Die Geschichte scheint in diesen Fällen klar, die zeitliche Koinzidenz kein Zufall: Der erboste Chef "widerruft" den Urlaub, streicht den Lohn oder kündigt direkt. In der Folge entstehen Streitigkeiten um Kündigungsschutz oder Entgeltfortzahlungs- bzw. Lohnansprüche. Über allem schwebt dann die Frage, ob der Arbeitnehmer tatsächlich krank war oder die vorliegenden Anhaltspunkte ausreichen, um den Beweiswert der AU zu erschüttern. Denn grundsätzlich genießt das ärztliche Attest einen hohen Stellenwert.
Die Ausnahmen von diesem Grundsatz schärfen seit einiger Zeit die Gerichte. Erforderlich ist der Vortrag tatsächlicher Umstände, die zu Zweifeln an der Erkrankung des Beschäftigten führen. Gelingt dies, kommt der Bescheinigung kein Beweiswert mehr zu. In Betracht kommt das etwa bei einer passgenauen AU für den Lauf des Urlaubs, wiederholt auftretenden Bescheinigungen um oder während der Abwesenheit oder auch im direkten Anschluss vor oder nach einem Wochenende. Der Zeitraum des Attests kann ebenfalls einen Anhaltspunkt geben (vgl. LAG Niedersachsen BeckRS 2024, 16570: entgegen der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (AU-RL) länger als 14Tage).
Ist der Beweiswert erst einmal erschüttert, "kippt" die Beweislast zurück zum Arbeitnehmer. Dieser muss unter Umständen den Arzt von seiner Schweigepflicht entbinden und als Zeuge benennen. Ob dieser sich dann selbst bescheinigt, dass er durch die Ausstellung eines falschen Attests den hippokratischen Eid verletzt hat, ist zwar fraglich. Zu dieser Gelegenheit muss es jedoch auch erst einmal kommen.
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