Urteilsanalyse
Reisekosten eines Anwalts am Ort des Sitzes des Verwalters der GdWE sind notwendig i.S.d. § 91 ZPO
Urteilsanalyse
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Eine GdWE darf nach einem Bechluss des LG Frankfurt a.M. einen Rechtsanwalt am Ort des Sitzes ihres Verwalters beauftragen, insoweit dem Rechtsanwalt entstehende Reisekosten zum Gerichtstermin sind notwendig i.S.v. § 91 ZPO.

9. Jun 2023

Anmerkung von
Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwältin Franziska Bordt, Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 11/2023 vom 08.06.2023

Sachverhalt

Die GdWE beauftragt einen Rechtsanwalt am Ort des Sitzes des Verwalters, der außerhalb des Gerichtsbezirks der Wohnanlage und damit des zuständigen Gerichts liegt. Nach Obsiegen beantragt die GdWE die Festsetzung der tatsächlichen Reisekosten ihres Rechtsanwalts. Das AG lehnt dies ab und setzt lediglich die fiktiven Reisekosten vom Ort der GdWE fest. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der GdWE.

Rechtliche Wertung

Die sofortige Beschwerde ist begründet; das Amtsgericht habe zu Unrecht die Reisekosten nur für die fiktiven Reisekosten zum Gerichtsterin vom Ort der WEG festgesetzt.

Allerdings sei zutreffend, dass maßgeblich für die Frage, welche Reisekosten für den Rechtsanwalt erstattungsfähig seien, zunächst der Sitz der Partei sei, so dass im Grundsatz Reisekosten nur bis zur Höhe von fiktiven Reisekosten zum weitentferntesten Ort im Gerichtsbezirk erstattungsfähig seien, wenn ein Rechtsanwalt an einem anderen Ort beauftragt werde.

Allerdings sei bei einer juristischen Person die tatsächliche Struktur zu berücksichtigen, so dass nicht formal der Sitz des Unternehmens ausschlaggebend sei, sondern die tatsächliche Organisation des Unternehmens, so dass ein Rechtsanwalt etwa an dem Ort beauftragt werden könne, von dem üblicherweise Rechtsstreitigkeiten nach der internen Struktur bearbeitet werden. Für eine GdWE komme es nicht auf den Ort an, in welchem sich die Anlage befinde, sondern auf den Ort des Sitzes des Verwalters.

Dies gelte für das vorliegend anwendbare reformierte Wohnungseigentumsrecht erst Recht, denn der Verwalter sei gem. § 9b WEG der gesetzliche Vertreter der GdWE und daher für die Prozessführung der Gemeinschaft zuständig.

Dies könne nur anders gesehen werden, wenn es sich um eine besonders rechtskundige Partei handle, etwa um ein Unternehmen mit einer eigenen Rechtsabteilung oder wenn der Streit in tatsächlicher Hinsicht überschaubar sei, etwa wenn eine Geldforderung im Streit stehe und die Gegenseite versichere hat, nicht leistungsfähig zu sein und gegenüber einer Klage keine Einwendungen zu erheben.

Dieser Fall liege aber nicht vor. Zwar sei die Klägerin von einem gewerbsmäßigen Verwalter vertreten worden, dieser stehe aber nicht einer Rechtsabteilung eines Unternehmens gleich. Hierfür wäre zumindest erforderlich, dass er über entsprechende Rechtskenntnisse verfügt und Rechtsstreitigkeiten selbst abarbeite. Dies sei bei Verwaltern üblicherweise nicht der Fall, sondern diese bedienen sich – wie auch hier geschehen – zur Forderungsdurchsetzung der Hilfe von Rechtsanwälten. Alleine dass der Verwalter über gewisse Rechtskenntnisse verfügen müsse, um seine Verwaltungsaufgaben erfüllen zu können, genüge insoweit der Gleichstellung mit einem Unternehmen mit Rechtsabteilung nicht. Der Verwalter verfüge vorliegend auch nicht über eine Rechtsabteilung.

Es sei daher nicht zu beanstanden, wenn die Klägerin einen Rechtsanwalt am Sitz ihres Verwalters beauftrage. Die dann für den Gerichtstermin entstandenen Reisekosten seien notwendig i.S.v. § 91 ZPO.

Praxishinweis

Das LG Frankfurt a.M. folgt der richtigen Ansicht, wonach die GdWE bei der Wahl des Verwalters – auch örtlich – frei ist und dieser als Vertreter der Gemeinschaft einen Anwalt an seinem Sitz beauftragen kann. Die dem Rechtsanwalt entstehenden Reisekosten sind in einem solchen Fall vollständig erstattungsfähig, da sie notwendig iSd § 91 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbs. ZPO sind (LG Aurich, Beschluss vom 28.03.2011 – 4 T 53/11, BeckRS 2011, 7121; LG Rostock, Beschluss vom 14.05.2020 – 1 T 100/20, BeckRS 2020, 12106).

Die vom LG genannten Ausnahmen, wonach Reisekosten nur soweit notwendig sind, als der Rechtsanwalt seinen Sitz am Ort der GdWE hat, sind bei einer GdWE, die einen Verwalter außerhalb ihres Gerichtsbezirks beauftragt hat, kaum denkbar. Denn hierzu wäre es nötig, dass der Verwalter als Vertreter der GdWE eine eigene Rechtsabteilung besitzt oder jedenfalls über die notwendigen Kenntnisse (und Befugnisse, etwa in Berufungsverfahren mit Anwaltszwang) verfügt, Rechtsstreitigkeiten zu führen, etwa wenn der Verwalter selbst Rechtsanwalt ist oder einen solchen in der Verwaltung angestellt hat. Wenn dem Verwalter aber gestattet wird, einen Rechtsanwalt an seinem Sitz zu beauftragen, spielt es für die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten – wenn überhaupt – nur eine marginale Rolle, ob seine Verwaltung eine eigene Rechtsabteilung besitzt, da die Entfernung zum Gericht vom Anwalt oder vom Sitz des Verwalters (nahezu) gleich sein dürfte.

LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 09.05.2023 - 13 T 20/23, BeckRS 2023, 10681