Anmerkung von
Senator E. h. Ottheinz Kääb, LL.M., Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, München
Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 24/2020 vom 03.12.2020
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StVG § 7 I; VVG § 115 I 1 Nr. 1
Sachverhalt
Ein Betriebsunterbrechungsversicherer klagt im Weg der Direktklage gegen einen Kfz-Haftpflichtversicherer. Die Klägerin ist Versicherer einer Kfz-Reparaturwerkstatt. Die Beklagte ist Kfz-Pflichtversicherer eines Unternehmens, das seinen Lkw zum Austausch der Hinterreifen und zur TÜV-Untersuchung zur Firma, die bei der Klägerin versichert ist, brachte. Am gleichen Tag wurden die Hinterreifen ausgetauscht, die TÜV-Untersuchung war für den nächsten Tag geplant. Über Nacht wurde der Lkw im Werkstattgebäude der Reparaturfirma abgestellt. In der Nacht geriet der Lkw in Brand. Es kam zu Schäden, die zu Sach- und Betriebsunterbrechungen in der Werkstatt führten.
Die Klägerin begehrt die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten gegenüber sämtlichen Schäden ihrer Versicherungsnehmerin aufgrund des streitgegenständlichen Ereignisses, soweit ein Anspruchsübergang auf die Klägerin gemäß § 86 Abs. 1 VVG erfolgte. Vor dem Landgericht hatte die Klägerin Erfolg. Die Berufung der Beklagten blieb vor dem Oberlandesgericht erfolglos. Der OLG-Senat ließ aber die Revision zu.
Rechtliche Wertung
Der BGH hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Es bleibt also bei der Feststellung, dass der beklagte Kfz-Haftpflichtversicherer eintrittspflichtig für die entstandenen Brandschäden ist.
Das Berufungsgericht habe zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass eine Haftung der Beklagten nach § 7 Abs. 1 StVG und § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG bestehe. Die landgerichtliche Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Brand entweder durch defekte Kabel im Motorraum im Bereich des Generators ausbrach oder durch einen Defekt an einen im Führerhaus fest eingebauten Kühlschrank.
Beide Brandursachen seien beim Betrieb des Lkw entstanden, so der BGH weiter. Es reiche aus, dass ein Zusammenhang mitursächlich bestehe. Es komme nicht entscheidend darauf an, dass der Schaden unmittelbar daraus herrühre, dass eine Transport- oder Fortbewegungsfunktion des Fahrzeugs defekt sei. Auch stehe der Anwendung des § 7 StVG nicht entgegen, dass das versicherte Fahrzeug – abgesperrt – im Zeitpunkt des Brandes in der Werkstatthalle stand. Zur Entzündung sei es jedenfalls ohne Zusammenhang mit konkreten Reparaturarbeiten gekommen. Die Frage der Abgrenzung zu einer bloßen Arbeitsfunktion des Fahrzeugs stelle sich nicht.
Voraussetzung für die Haftung nach § 7 StVG sei, dass Schäden an Rechtsgütern «bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges» entstanden sind. Die Vorschrift wolle daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadenabläufe erfassen. Bei einer wertenden Betrachtung des Schadenereignisses sei jedenfalls der Schaden durch das Kraftfahrzeug (mit-)geprägt worden.
Der Schaden sei auch auf eine defekte Betriebseinrichtung zurückzuführen. Die werkseitige Ausstattung der Fahrzeuge mit Assistenzsystemen, Unterhaltungselektronik und sonstigen den Fahrkomfort steigenden technischen Einrichtungen berge Gefahren für Dritte in sich. Letztlich sei immer irgendeine Einrichtung «noch am Strom» und damit «in Betrieb».
Es mache auch keinen rechtlichen Unterschied, ob der Brand während oder unmittelbar nach einer Fahrt eintrete. Man könne Haftungsfolgen nach § 7 StVG nicht darauf begrenzen, dass der Schaden noch durch den Fahrbetrieb oder dessen Nachwirkungen entstanden sei. Auch wenn eine unmittelbare Beziehung zu Transport oder Fortbewegung nicht bestehe, seien diese Fälle jedenfalls noch dem Betrieb zuzuordnen. Anderes gelte etwa bei einer vorsätzlichen Inbrandsetzung eines ordnungsgemäß auf einem Parkplatz abgestellten Fahrzeugs.
Sei aber der Schaden dem Betrieb zuzuordnen, dann spiele es keine Rolle, wo dieser entstanden sei, etwa auf privaten oder öffentlichen Verkehrsflächen oder gar auf einem Privatgelände. Damit könne auch der Direktanspruch nach § 115 VVG geltend gemacht werden, denn der Direktanspruch sei immer dann bereits eröffnet, wenn eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung nach dem Pflichtversicherungsgesetz besteht.
Praxishinweis
Die Entscheidung ist für die Praxis außerordentlich wichtig. Zu dem Merkmal «bei dem Betrieb» eines Fahrzeugs gab in der Vergangenheit immer wieder bei allen möglichen Deutungsversuchen in Entscheidungen, auch des BGH, Anlass für Verwirrung. Diese Verwirrung hat der BGH in dem hier vorgelegten sehr klaren Urteil wohl ein für alle Mal beseitigt.
Die Kfz-Haftpflichtversicherer lesen das Urteil unter Umständen nicht so ganz gerne. In Bezug auf die technischen Einrichtungen vor allem deshalb, weil laut BGH im Fahrzeug ständig irgendetwas noch in Betrieb ist. Hierzu haben die Richter klar entschieden, dies war erwartet und gewünscht worden.
Im gleichen Sinn wurde auch über einen weiteren Schaden, der von einem in der Werkstatt stehenden Fahrzeug ausging, geurteilt. Auch dort wurde der Betrieb für die Haftung aus § 7 StVG bejaht: BGH, Urteil vom 20.10.2020 - VI ZR 374/19, BeckRS 2020, 31471. Der Leitsatz dieser Entscheidung findet sich ebenfalls in dieser Ausgabe.
BGH, Urteil vom 20.10.2020 - VI ZR 158/19 (OLG Hamm), BeckRS 2020, 31062