Urteilsanalyse
Regelmäßiger Fahrerlaubnisentzug nach Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter
Urteilsanalyse
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Eine Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) mit einem E-Scooter begründet die Regelvermutung der Ungeeignetheit des Täters zum Führen eines Kfz. Von der Entziehung der Fahrerlaubnis kann nur in Ausnahmefällen abgesehen werden. (Leitsatz des Gerichts)

29. Jun 2023

Anmerkung von
Senator E. h. Ottheinz Kääb, LL.M., Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 12/2023 vom 21.06.2023

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StGB §§ 69316; eKFV § 1

Sachverhalt

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20 EUR und einem Fahrverbot von sechs Monaten verurteilt. Dagegen richtet sich die Sprungrevision der Amtsanwaltschaft, die nicht nur auf den Rechtsfolgenanspruch beschränkt ist, sondern innerhalb dessen auf die Ablehnung der Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB sowie die damit verbundene Verhängung einer Sperre für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis gemäß § 69a StGB.

Der Angeklagte fuhr nachts mit einem E-Scooter, nachdem er zuvor in einer Bar war und dort Bier und Wodka getrunken hatte. Nach Verlassen der Bar hatte er sich spontan entschlossen, für die Fahrt zurück zu seiner Wohnung einen E-Scooter zu benutzen. Er fühlte sich fahrtüchtig. Seine BAK betrug zu diesem Zeitpunkt 1,64 Promille.

Rechtliche Wertung

Das Amtsgericht hatte einen Regelfall angenommen, eine Sperre gleichwohl nicht verhängt, weil das Fahren mit einem E-Scooter nicht so gefährlich sei wie das Fahren mit einem Kraftfahrzeug. 

Der Senat folgte dieser Argumentation nicht. Auf die Revision wurde das amtsgerichtliche Urteil samt Feststellungen insoweit aufgehoben, als die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Bestimmung einer Sperrfrist für deren Neuerteilung abgelehnt wurde. Die Staatsanwaltschaft hatte also mit ihrem Rechtsmittel Erfolg. Es liege ein Fall vor, der «unverhältnismäßig» sei. Der Revisionssenat verweist allerdings darauf, dass eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 62 StGB eben nicht stattfinde. Von der Entziehung der Fahrerlaubnis könne nur in seltenen Ausnahmen abgewichen werden. Die vom Amtsgericht aufgeführten Gründe trügen eine solche Ausnahme nicht. Der Verordnungsgeber habe Elektrokleinstfahrzeuge als Kraftfahrzeuge eingestuft und damit seien die dafür geltenden allgemeinen Vorschriften maßgebend.

Die Sache wird also im erwähnten Umfang aufgehoben und zurückverwiesen. Der Senat weist allerdings darauf hin, dass das Fahrverbot mit Eingang der Revisionsbegründung rechtskräftig wurde und der Führerschein aufgrund der vorläufigen Entziehung sich bereits in amtlicher Verwahrung befunden habe. Außerdem habe das Amtsgericht in seinen Entscheidungsgründen deutlich zum Ausdruck gebracht, dass auf die Verbotsfrist die Zeit der amtlichen Verwahrung angerechnet werden soll. Die Verbotsfrist sei daher in der Zwischenzeit längst abgelaufen.

Praxishinweis

Die Gesetzesfolgen der Einstufung der E-Scooter als Kraftfahrzeuge werden vielfach nicht unerheblich kritisiert. Die Rechtsprechung bemüht sich Ausgleich zu schaffen. Für die Praxis ist die Entscheidung von Bedeutung. Zur Klarstellung allerdings ist der Gesetzgeber nach wie vor gefordert.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 08.05.2023 - 1 Ss 276/22 (AG Frankfurt a. M.), BeckRS 2023, 12529