Urteilsanalyse
Rechtsmittelverzicht nach Erlass der rechtsmittelfähigen Entscheidung
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Ein Rechtsmittelverzicht kann als einseitige Erklärung einer Partei dem Gericht oder dem Gegner gegenüber jedenfalls nach Erlass der rechtsmittelfähigen Entscheidung abgegeben werden. Er führt, so der BGH, zur Unzulässigkeit eines gleichwohl eingelegten Rechtsmittels.

15. Feb 2022

Anmerkung von
Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 03/2022 vom 11.02.2022

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Sachverhalt

Das LG weist den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit dem die Antragstellerin beantragt hatte, die Antragsgegnerin zur Unterlassung von Äußerungen zu verpflichten, durch Beschluss zurück. Das KG erklärt auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin den Rechtsweg durch Beschluss vom 9.9.2020 zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig und verweist den Rechtsstreit an das ArbG. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der vom KG zugelassenen Rechtsbeschwerde. Ohne Erfolg.

Entscheidung: Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig!

Zulassung der Rechtsbeschwerde

Die Rechtsbeschwerde sei zwar nicht unzulässig, weil der mit der Rechtsbeschwerde angegriffene Beschluss im Verfahren der einstweiligen Verfügung ergangen sei. Das KG habe die Zulassung zwar auf § 574 III 1 ZPO gestützt, der in Verfahren der einstweiligen Verfügung nach §§ 574 I 2, 542 II 1 ZPO keine Zulassung der Rechtsbeschwerde vorsehe. Das KG habe die Zulassung aber mit der Abweichung von BGH-Urteilen begründet und damit der Sache nach den Zulassungsgrund des § 17a IV 5 GVG bejaht. Dieser berechtige im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung über die Frage des Rechtswegs zur Zulassung der Rechtsbeschwerde auch in Verfahren der einstweiligen Verfügung (Hinweis auf BGH NJW-RR 2005, 142 Rn. 3).

Rechtsmittelverzicht

Die Antragstellerin habe aber gegenüber dem KG einen Rechtsmittelverzicht erklärt. Ein solcher könne als einseitige Erklärung einer Partei dem Gericht oder dem Gegner gegenüber jedenfalls nach Erlass der rechtsmittelfähigen Entscheidung abgegeben werden und führe zur Unzulässigkeit eines gleichwohl eingelegten Rechtsmittels (Hinweis ua auf BGH NJW-RR 2018, 250 Rn. 14 = FD-ZVR 2018, 400496 mAnm Toussaint). Ob ein Rechtsmittelverzicht vorliege, sei durch objektive Auslegung der Erklärung zu ermitteln. Dabei sei wegen seiner weitreichenden Wirkungen Zurückhaltung geboten.

Ein Rechtsmittelverzicht sei nur dann anzunehmen, wenn in der Erklärung klar und eindeutig der Wille zum Ausdruck komme, die Entscheidung endgültig hinnehmen und nicht anfechten zu wollen (Hinweis ua auf BGH NJW-RR 2018, 250 Rn. 12 = FD-ZVR 2018, 400496 mAnm Toussaint). Dies sei aber der Fall. Denn die Antragstellerin habe mit anwaltlichem Schriftsatz erklärt, sie werde kein Rechtsmittel gegen den Beschluss vom 9.9.2020 einlegen, und darum gebeten, die Sache unverzüglich an das ArbG abzugeben.

Praxishinweis

Der Fall stellt nochmals klar: auf eine Beschwerde kann verzichtet werden. Dieser Rechtsmittelverzicht ist eine Bewirkungshandlung, die unmittelbar, dh ohne die Vermittlung durch eine gerichtliche Tätigkeit, prozessuale Wirkungen erzeugt und damit eine bestimmte Prozesslage schafft.

Das KG hätte neben der Verweisung im Übrigen aussprechen müssen, dass der landgerichtliche Beschluss aufgehoben wird. Diesen Tenorierungsfehler konnte der BGH gem. § 319 ZPO aber berichtigen (s. auch BGH NZI 2012, 184 Rn. 52).

BGH, Beschluss vom 23.11.2021 - VI ZB 69/20, BeckRS 2021, 43366