Anmerkung von
Rechtsanwalt Florian Elsner, BUSSE & MIESSEN Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Berlin
Aus beck-fachdienst Medizinrecht 03/2022 vom 04.03.2022
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Sachverhalt
Die Antragstellerin (AS) wandte sich gegen die für sofort vollziehbar erklärte Verfügung des Antragsgegners (AG), mit der ihr die Durchführung von SARS-CoV-2-Tests in ihrer Teststelle einschließlich der Zertifikatsausstellung untersagt, ein Zwangsgeld von 20.000 EUR pro Fall der Zuwiderhandlung angedroht und ihr aufgrund der fehlenden Zuverlässigkeit die Beauftragung zum Betrieb einer Teststelle entzogen wurde. Gestützt hat der AG die Verfügung auf eine Begehung der Teststelle und eine Inspektion durch das Gesundheitsamt. Die AS hat gegen die Verfügung Widerspruch eingelegt. Die Inspektion sei unsachgemäß durchgeführt worden und die Hygienebeanstandungen somit unzutreffend. Die Begehung habe lediglich außerhalb der Räume stattgefunden. In ihrem Hygienekonzept habe sie die nunmehr beanstandeten Punkte (z.B. keine Einmalschutzkittel aus Kunststoff) erläutert. Eine Mindestauswertzeit der Tests bestehe nicht. Wenn die Kontrolllinie bereits nach 10 Minuten erscheine, könne es keinen positiven Test mehr geben.
Entscheidung
Das VG wies den Antrag zurück.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VWGO für sofort vollziehbar erklärten Untersagungsanordnung wiederherzustellen bzw. bzgl. der nach § 20 AGVwGO kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Zwangsmittelandrohung anzuordnen, sei gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft und zulässig, aber unbegründet.
Nach der summarischen Prüfung i.R.d. Interessenabwägung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO dürfe die Anordnung aufgrund der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit Bestand haben. Bei der Durchführung der in Rede stehenden Coronatests handele es sich um das Betreiben bzw. die Anwendung eines Medizinprodukts, nämlich eines In-vitro-Diagnostikums (IVD) i.S.v. § 3 Nr. 4 MPG bzw. § 1 MPDG. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten des AG lägen voraussichtlich vor, denn die von der AS auf der Grundlage ihrer Beauftragung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Coronatest-Verordnung (TestV) durchgeführte IVD habe nicht den gesetzlichen Vorgaben genügt. Hiernach müsse die AS insbesondere unter Einhaltung der infektionsschutz-, medizinprodukt- und arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen, eine ordnungsgemäße Erbringung der Leistungen gewährleisten und die erforderliche Zuverlässigkeit aufweisen. Da es sich bei IVD um die Durchführung von laboratiumsmedizinischen Untersuchungen handele und somit ein ausreichendes Qualitätssicherungssystem erforderlich sei, dessen Vorliegen vermutet werde, wenn Teil A der Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischen Untersuchungen (Rili-BÄK) beachtet werde, müssten zudem die Voraussetzungen gem. §§ 14 u. 37 Abs. 5 MPG i.V.m. § 1 MPBetreibV beachtet werden. Hiergegen habe die AS in grober Weise verstoßen. Das Hygienekonzept enthalte keine Regelung der einzelnen Testschritte und -verantwortlichkeiten. Die bei der Inspektion gefertigten Fotos zeigten gravierende Hygieneverstöße, bei dem als „Labor“ genutzten Raum habe es sich um eine Abstellkammer gehandelt, deren Flächen länger weder gereinigt noch desinfiziert worden seien. Auch habe die AS nicht abrechnungsfähige Tests verwendet und auf die Vorlage von Ausweisdokumenten der zu Testenden verzichtet sowie angegebene Auswertungszeit unterschritten. Alles in Allem habe eine drohende Gefahr für die öffentliche Sicherheit wegen der zahlreichen Missstände sowie eine Unzuverlässigkeit der AS bestanden. Die Androhung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung der Untersagungsverfügung sei ebenfalls rechtmäßig.
Praxishinweis
In der Corona-Pandemie hat die rechtliche Beratung von Teststellen zunehmende Bedeutung gewonnen. Der Beschluss könnte im Umkehrschluss wichtige Beratungsinhalte zur Vermeidung entsprechender Verfügungen bieten. Dennoch bleibt zu hoffen, dass es solcher Beratungen nicht mehr lange bedarf.
VG Neustadt a.d. Weinstraße, Beschluss vom 07.01.2022 - 5 L 1239/21.NW, BeckRS 2022, 106