Anmerkung von
Rechtsanwalt Florian Elsner, BUSSE & MIESSEN Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Berlin
Aus beck-fachdienst Medizinrecht 09/2021 vom 03.09.2021
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Sachverhalt
Der Kläger machte gegen die Beklagte Ansprüche wegen behaupteter fehlerhafter ärztlicher Behandlung geltend. Das Landgericht Zwickau hat Behandlungsunterlagen von mit- und nachbehandelnden Ärzten beigezogen. Die Beklagte beantragte, die Originalbehandlungsunterlagen zur Einsichtnahme an die Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten zu übersenden oder entsprechende Kopien gegen Kostenerstattung zu übermitteln. Das Landgericht wies die Anträge zurück. Dagegen legte die Beklagte sofortige Beschwerde ein, der das Landgericht nicht abgeholfen hat. Hiergegen wandte sich die Beklagte mit der gegenständlichen sofortigen Beschwerde und begehrte die Übersendung der beigezogenen Originalbehandlungsunterlagen.
Entscheidung
Die gemäß §§ 567 ff. ZPO statthafte und zulässige sofortige Beschwerde sei teilweise begründet. Die Beklagte habe keinen Anspruch auf Übersendung der beigezogenen Originalunterlagen, aber auf Übersendung von Kopien der Originalunterlagen gegen Kostenerstattung.
Der Anspruch auf Akteneinsicht ergebe sich nicht unmittelbar aus § 299 ZPO, denn die von Dritten nach § 142 Abs. 1 ZPO beigezogenen Originalurkunden seien nicht Teil der Prozessakte. Jedoch gebiete es der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, den Parteien Einsichtnahme in Unterlagen zu gewähren, auf deren Grundlage die Entscheidung des Gerichtes gestützt werde. Daher sei eine entsprechende Anwendung von § 299 ZPO geboten. Die Möglichkeit, in jedem Stadium des Verfahrens Einsicht in für das Verfahren wesentliche Unterlagen nehmen zu können, könne nur dadurch gewährleistet werden, dass die Parteien bzw. ihre Prozessbevollmächtigten Abschriften von diesen Unterlagen bei ihren Akten hätten. Die bloße Möglichkeit, auf der Geschäftsstelle Einsicht in die Originalunterlagen zu nehmen, reiche hierfür nicht aus. Die gleichwohl bestehende Gefahr, dass Unterlagen nicht oder falsch eingeheftet würden, müsse im Hinblick auf den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör in Kauf genommen werden.
Dennoch bestehe grundsätzlich kein Anspruch auf Übersendung zur Einsichtnahme in eine Rechtsanwaltskanzlei. Die Gewährung von Akteneinsicht erfolge auch in Gerichtsakten grundsätzlich auf der Geschäftsstelle eines Gerichtes. Nach pflichtgemäßem Ermessen des Vorsitzenden, der dabei die arbeitsorganisatorischen Belange des Gerichts und die nie völlig auszuschließende Verlustgefahr bei der Übersendung von Akten sowie die berechtigten Belange insbesondere nicht am Gerichtsort ansässiger Parteien und ihrer Rechtsanwälte gegeneinander abzuwägen habe, komme jedoch auch eine kostenpflichtige Übersendung in eine Rechtsanwaltskanzlei in Betracht, wenn die Akten entbehrlich seien und der Empfänger vertrauenswürdig sei.
Bei von Dritten nach § 142 ZPO beigezogenen Originalunterlagen sei bei der Ermessensausübung zusätzlich zu berücksichtigen, dass ein amtliches Verwahrverhältnis bestehe. Das Gericht habe dafür Sorge zu tragen, dass die in seine amtliche Obhut genommenen Krankenunterlagen nicht unnötigen Beschädigungs- oder Verlustrisiken ausgesetzt würden. Dies schließe die Versendung von beigezogenen Originalunterlagen zwar nicht aus, sei vorliegend aber nicht zu beanstanden, weil das Landgericht diesem Umstand bei der Ermessensausübung Rechnung getragen und von einer Aktenübersendung abgesehen habe.
Praxishinweis
Die seitens des Landgerichts erläuterten Voraussetzungen für die Übersendung der Kopien der Originalunterlagen sollten bei Akteneinsichtsbegehren gegenüber standortfernen Gerichten (und nicht gegebener Reiselust) besonders gewürdigt, und es sollte entsprechend vorgetragen werden, um so der gerichtlichen Ermessensausübung zu einem Ergebnis pro Übersendung zu verhelfen.
OLG Dresden, Beschluss vom 28.06.2021 - 4 W 685/20 (LG Zwickau), BeckRS 2021, 18979