Das Leben verlagert sich immer mehr ins Digitale. Dies gilt auch für die Justiz. Zum Jahreswechsel werden alle neu eingehenden Verfahren elektronisch geführt. Die Videoverhandlung ist mittlerweile gang und gäbe. Bürger sind es gewohnt, Rechtsgeschäfte nicht mehr in Präsenz, sondern online abzuschließen. Es fehlt jedoch eine eindeutige Anlaufstelle für einen digitalen Kontakt mit der Justiz. Zwar verfügen die Gerichte über Websites, Informationen sind jedoch nicht an einem zentralen Ort, sondern an unterschiedlichen Stellen abrufbar, und unter „Kontakte“ finden sich in der Regel nur die Postanschrift und der Hinweis, dass die E-Mail-Kommunikation in Rechtssachen nicht möglich sei.
Erste Schritte
Bereits auf dem ersten Bund-Länder-Digitalgipfel Ende März 2023 wurde über die Finanzierung einer Machbarkeitsstudie durch den Bund zur Einrichtung eines Bund-Länder-Justizportals für Onlinedienstleistungen entschieden. Ein interdisziplinärer Arbeitskreis von Vertretern des Bundes und der Länder hat ein Inhalts- und Designkonzept entwickelt.
In dem Projekt „Digitale Rechtsantragstelle“ des Bundesjustizministeriums und des DigitalService wurden Informationen über die Beantragung von Beratungs- und Prozesskostenhilfe zusammengestellt sowie ein Eingabe- und Abfragesystem, das es erleichtert, den Antrag online auszufüllen, entwickelt. Zudem wird ein Vorab-Check, ob ein Anspruch auf Beratungshilfe besteht, bereitgestellt. In dem weiteren Projekt „Zivilgerichtliches Online-Verfahren“ wurden ein Vorab-Check sowie ein Eingabe- und Abfragesystem zur Erstellung einer Klageschrift für Verfahren nach der EU-Fluggastrechteverordnung entwickelt. Diese Angebote sollen weiter ausgeweitet werden. Die bisherigen Projektergebnisse sind unter service.justiz.de abrufbar, so dass bereits ein erster Eindruck entsteht, wie Teile des Justizportals aussehen könnten.
Wie geht es weiter?
Die Arbeiten an dem Justizportal mit Kommunikationsplattform sollen ausweislich des Koalitionsvertrags von Union und SPD fortgesetzt werden. Die Reformkommission Zivilprozess der Zukunft (Transparenzhinweis: die Autorin war Mitglied) hat sich in ihrem Abschlussbericht, dessen Impulse die neue Regierung aufnehmen will, ebenfalls für die Schaffung eines Justizportals ausgesprochen, über das sämtliche Angebote und Services der Justiz abrufbar sein sollen.
Empfehlungen
Durch eine einheitliche, passende grafische Gestaltung des Portals könnte ein ähnlich vertrauensbildender Effekt wie beim Betreten eines Gerichtsgebäudes erzielt werden. Eine intuitive Bedienbarkeit und ein zielgruppenzentriertes Angebot ließen sich durch die Nutzung von Legal Design Thinking – einer Methodik, die bei den vorgenannten Projekten des DigitalServices bereits zum Einsatz kommt und bei der die Bedürfnisse der potenziellen Nutzer im Mittelpunkt stehen – erreichen. Um sicherzustellen, dass keine Nutzergruppe ausgeschlossen wird, muss auf eine barrierearme Ausgestaltung, etwa durch Texte in einfacher Sprache und Zugänglichkeit für seheingeschränkte bzw. blinde Nutzende, geachtet werden. Für digital unerfahrene Personen sollten sogenannte Digitallotsen, zum Beispiel über eine Telefonhotline oder über eine persönliche Vorsprache auf der Rechtsantragstelle, zur Verfügung stehen.
Ebenso wichtig ist es, eine elektronische Einreichung über das Portal samt angeschlossener Kommunikationsplattform möglichst niedrigschwellig auszugestalten. Komplexe bzw. nur für die Justiz Anwendung findende Identifizierungs- und Authentisierungsmittel stellen eine Hürde für die Nutzung dar. Als Ausdruck der Serviceorientiertheit des Portals sollen relevante Daten nur einmal eingegeben und mit Einverständnis des Betroffenen auch von einer anderen staatlichen Stelle abgefragt werden können.
Über das Portal sollten weitere Angebote wie Einsichten in Register, ein Terminbuchungstool, Hinweise auf Optionen zur außergerichtlichen Konfliktlösung, Zugang zu Videoverhandlungen bzw. -terminen auf der Rechtsantragstelle und eine Bezahlpattform bereitgestellt werden.