Es ist schon ein bisschen her, da schlugen die Wogen hoch. Die International Bar Association (IBA), die sich selber als „the global voice of the legal profession“ bezeichnet, befasste sich mit der Bedeutung der UN Guiding Principles of Business and Human Rights für die Anwaltschaft. Es ging darum, ob Anwälte für die Verfehlungen ihrer Mandanten haftbar, jedenfalls namhaft gemacht werden könnten. Die Rede war von Complicity, wenn Kanzleien durch den Rechtsrat zu Menschenrechtsverletzungen ihrer Mandanten beitrügen, und von Linkage, wenn man Anwälte als Berater solcher Mandanten öffentlich benenne, diese sich aber nicht von ihren Mandanten absetzen könnten, denn die öffentliche Verteidigung, man habe seinem Mandanten schon immer gesagt, dass er Menschenrechte verletze, geht wegen anwaltlicher Schweigepflicht nicht. Diese Situation könne dazu führen, dass Anwälte sich von solchen Mandanten fernhielten, denn: Mitgefangen, mitgehangen.
Dass der Vorwurf der Complicity und die Linkage mit der Unabhängigkeit der Anwaltschaft kollidieren, auch wenn er einem guten Zweck dienen will, liegt auf der Hand. Ohne unabhängige Anwältinnen und Anwälte gibt es keinen Rechtsstaat und keine Menschenrechte. Deshalb gibt es seit über 30 Jahren die Nr. 18 der Basic Principles der UN zur Rolle der Anwaltschaft, wonach diese gerade nicht für die Taten ihrer Mandanten haftbar gemacht werden darf. Aber ist das nicht auch naiv? Anwälte sind nun wirklich nicht immer nur die beratenden Unschuldslämmer, Stichwort Panama Papers und Cum/Ex. Und dass die Anwaltschaft beim Thema Geldwäsche in den Blick gerät, hat leider Gründe.
Am Ende der heftigen Diskussionen zwischen IBA und der europäischen Anwaltschaft kam es zu einem Ausgleich der Prinzipien, was unter anderem wie folgt klang: Die UN Guidelines dürften keinesfalls so verstanden werden, dass Anwälte in der Vertretung solcher Mandanten eingeschränkt werden dürften, die möglicherweise „sehr unpopulär sind (einschließlich derer, die der Verletzung von Menschenrechten beschuldigt werden)“.
Die Entscheidungen vieler Kanzleien, Büros in Moskau zu schließen und Mandatsbeziehungen mit Bezug zu Russland zu überprüfen und zu beenden, bringt die seinerzeitige Diskussion wieder auf die Tagesordnung, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Kanzleien befassen sich viel stärker mit ihrer gesellschaftlichen Rolle, CSR (Corporate Social Responsibility) und ESG (Environment, Social, Governance) sind wichtige Themen, nicht nur im Recruiting. Büros in Moskau sind das eine, aber wo verläuft die Grenze für vertretbare Mandatsbeziehungen? Klare Haltung oder Einzelfallbetrachtung? Absolut oder relativ, Stichwort Waffenhersteller? In England, dem Mutterland der Magna Charta, wurden kürzlich im Parlament Kanzleien namentlich genannt und kritisiert. Complicity und Linkage in Reinform. Auch wenn wir im Moment ratlos sind: Das jedenfalls geht gar nicht.