Interview
Die Besten?
Lorem Ipsum

Wer auf der Suche nach dem passenden Anwalt ist, kann auf eine der vielen Bestenlisten oder Anwaltsrankings zurückgreifen, deren Anzahl beständig wächst. Aber welche Aussagekraft haben solche Listen? Und schmeicheln sie nur den Anwalts-Egos, oder bringen sie tatsächlich etwas fürs Geschäft? Fragen an Prof. Dr. Marcus C. Funke, der als Partner einer internationalen Großkanzlei selbst auf diesen Listen stand und jetzt als Chief Legal & Strategy Officer von RightNow als potenzieller Mandant auf diese Empfehlungen blickt.

17. Aug 2021

NJW: Als Anwalt standen Sie selbst auf diversen Bestenlisten. Welchen Stellenwert hatten diese Empfehlungen für Sie?

Funke: Insbesondere als jüngerer Anwalt habe ich mich über die Nennung in den verschiedenen Publikationen und besonders vorteilhafte Zitate von Mandanten oder Wettbewerbern gefreut, das ist ja nur menschlich. Ob mir das im Wettbewerb um attraktive Mandate geholfen hat, kann ich nicht sicher sagen. Aber als Referenz bei potenziellen Mandanten, mit denen ich zuvor noch nicht zusammengearbeitet hatte, mag es genützt haben. Ich vermute allerdings, dass auch in solchen Fällen persönliche Empfehlungen sowie die Reputation der Kanzlei und deren Referenzen im Zweifelsfall wichtiger waren, aber das ist letztlich Spekulation. Klar ist, dass ein Ranking in Fachpublikationen für einen Mandanten einen Informationswert hat.

NJW: Wie sehen Sie das jetzt als Auftraggeber von Anwälten? Oder konkreter gefragt: Spielen solche Rankings bei der Mandatsvergabe eine Rolle?

Funke: Ehrlich gesagt, nur eingeschränkt. Bei RightNow als einem der führenden Unternehmen im Consumer Claims Purchasing haben wir über die letzten Jahre einige ausgezeichnete Arbeitsbeziehungen mit kleineren und mittleren Kanzleien in Deutschland und angrenzenden Jurisdiktionen aufgebaut. Da die kollektive Geltendmachung von Verbraucheransprüchen aus alltäglichen Situationen stark standardisiert ist, haben wir uns als Legal-Tech-Unternehmen auf die Automatisierung verlegt. Bei den Anwältinnen und Anwälten, mit denen wir regelmäßig zusammenarbeiten, geht es daher nicht mehr so sehr um klassische Beratung oder Prozessvertretung, wichtiger sind effiziente Organisation und Technologieoffenheit. Diese Kategorien spielen allerdings in Rankings keine herausgehobene Rolle.

NJW: Was sagt denn dann die Erwähnung auf einer solchen Liste über einen Anwalt bzw. eine Anwältin aus?

Funke: An der Stelle würde ich deutlich differenzieren: Die etablierten Fachpublikationen wie Juve oder die auf den deutschen Markt bezogenen Ausgaben von IFLR, Legal 500 und Chambers erscheinen seit Jahrzehnten und werden mit journalistischen Methoden von Redaktionen mit profunder Marktkenntnis erarbeitet, wobei regelmäßig auch Interviews mit ausgewählten Referenzkontakten auf Mandantenseite geführt werden. Diesen Rankings würde ich bei der Auswahl eines Anwalts und einer Kanzlei, die ich nicht schon aus der Zusammenarbeit kenne, durchaus Gewicht geben. Bei Auszeichnungen, die auf einem bloßen Peer-Verfahren beruhen, wäre ich skeptischer. Die methodischen Schwächen eines solch limitierten Feedbacks bei überwiegend geringem Rücklauf von Fragebögen sind offenkundig, so dass die Ergebnisse recht beliebig sein können, selbst wenn mit einer Jury noch eine Art Filterfunktion vorgesehen ist. Und entscheidend: Eine Mandantenperspektive kommt bei diesem Ansatz nicht vor, obwohl doch klar sein sollte, dass der Mandant zur Qualität der anwaltlichen Beratung vermutlich die beste Einschätzung geben kann. Wie soll das ein bloßer Wettbewerber können?

NJW: Dann ist es also nicht weiter tragisch, wenn ein Kollege, eine Kollegin auf derartigen Listen nicht genannt wird?

Funke: Bei einigen Auszeichnungen im Peer-Verfahren wundere ich mich eher, dass niemand fehlt, weil regelrecht das Füllhorn ausgeleert wird und es plötzlich nur noch „Best Lawyers“ und „Rising Stars“ gibt. Aber im Ernst: Wenn eine Kanzlei oder ein Anwalt in den Fachpublikationen über einen längeren Zeitraum nicht vorkommt, ist das zumindest ein Indikator für die fehlende Marktwahrnehmung. Denn in den allermeisten Kanzleien bemühen sich Anwältinnen und Anwälte in aller Regel mit professioneller Unterstützung um die vorteilhafte Nennung in diesen Publikationen.

NJW: Welchen Stellenwert hat die Erwähnung in einer der diversen Listen im Vergleich zu anderen Qualifikationen, etwa zu einem Fachanwaltstitel?

Funke: Das dürfte von Fall zu Fall verschieden sein. Für mich wäre die Erfahrung in einem bestimmten Bereich, die durch Referenzen nachvollziehbar belegt ist, bei der Auswahl immer eines der wichtigsten Kriterien. Fachanwaltstitel haben vermutlich eher für Verbraucher eine größere Bedeutung. Für die Referenzen würde ich auch in den Fachpublikationen nachschlagen.

NJW: Die Zahl der Rankings steigt beständig an. Fördert das deren Aussagekraft im Sinne besserer Vergleichbarkeit, oder verwässert es sie eher?

Funke: Quantität und Qualität müssen ja nicht immer korrelieren. Nur halbherzig beantwortete und nicht zahlreich zurückgesandte bzw. wenig aussagekräftige Fragebögen sind nur ein Teil der methodischen Schwächen von reinen Peer-Verfahren; insbesondere fehlen die entscheidende Perspektive des Mandanten und die fundierte Marktanalyse. Insoweit sind die Rankings sicher zahlreicher geworden, aber der Informationswert hat gegenüber den etablierten Fachpublikationen aus meiner Sicht nicht im selben Umfang zugenommen.

NJW: Sie haben schon mehrfach die verschiedenen Verfahren erwähnt, die den Rankings zugrunde liegen. Welches halten Sie für substanzieller?

Funke: Aus meiner Erfahrung als Anwalt, der selbst gerne auf solchen Listen genannt werden wollte, halte ich redaktionelle Bewertungen, in die Marktkenntnis, journalistische Recherche und Sachverstand sowie die Mandantenperspektive einfließen, für deutlich überlegen. Das heißt nicht, dass ein solches Ranking das letzte Wort wäre, aber im gesamten Informationsmix ist es auf jeden Fall ein relevanter Parameter. Neben den Rankings enthalten solche Fachpublikationen auch Informationen zu den Praxisgruppen einer Kanzlei, verschiedenen Individuen, signifikanten Transaktionen und wichtigen Trends, die für eine Auswahlentscheidung wertvoll sein können. Beim reinen Peer-Verfahren fehlt das alles in großem Umfang.

NJW: Die Kanzleien vermarkten ihre Nennungen sehr extensiv, teilweise wird für entsprechende Label viel Geld bezahlt. Lohnt sich der Aufwand?

Funke: Wenn ich insbesondere auf LinkedIn und andere Social Media schaue, scheint mir vielfach ein umgekehrt proportionaler Zusammenhang zu bestehen. Je weniger aussagekräftig die Auszeichnung ist, desto mehr wird damit geworben. Die Logos der Auszeichnungen verbunden mit stereotypen Formulierungen wie „Feeling honored and humbled to be named …“ fand ich selbst immer etwas albern und hart an der Grenze zum Spam. Bei vielen dieser Auszeichnungen habe ich den Eindruck, dass mit dem Schmeicheln des anwaltlichen Egos der Boden für kostenpflichtige Angebote bereitet werden soll. Ich glaube aber ehrlicherweise auch, dass die meisten Mandanten intelligent genug sind, dieses Pay-to-play-Spiel zu durchschauen, und auf solche Formen bezahlter Werbung nicht mehr zu geben ist als bei anderer bezahlter Werbung auch.

NJW: Dann sind solche Erhebungen eher kein geeignetes Instrumentarium für mehr Transparenz im Rechtsberatungsmarkt, oder?

Funke: Bei reinen Peer-Verfahren glaube ich das wegen der erkennbaren methodischen Schwächen eher nicht. Guter Fachjournalismus hingegen kann durchaus einen Beitrag zu mehr Transparenz im Rechtsberatungsmarkt leisten, weil sich die Berichterstattung aus einer über lange Jahre gewachsenen Marktkenntnis und fundierten Analyse speist. Neben der individuellen Bewertung von Anwältinnen und Anwälten ist aus meiner Sicht insbesondere die Bewertung einer Praxis und die Einordnung von Transaktionen relevant und aussagekräftig. Am Ende muss es doch für den Mandanten darum gehen, die Erfahrung, die eine Kanzlei und das spezifische Team mitbringen, evaluieren zu können.

Prof. Dr. Marcus C. Funke, LL.M., studierte Jura in Freiburg, Heidelberg und an der University of Chicago Law School; das Referendariat absolvierte er im Bezirk  des Kammergerichts. Er ist als Rechtsanwalt in Deutschland und Attorney-at-Law im Bundestaat New York zugelassen und hat bis 2020 als Partner einer U.S.-Kanzlei Emittenten und Banken zu kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtlichen Fragen beraten. Seit 2020 ist er Chief Legal & Strategy Officer beim Legal-Tech-Unternehmen RightNow. Funke ist Honorarprofessor an der EBS Law School in Wiesbaden und wird regelmäßig von verschiedenen Anwalts-Rankings, darunter Chambers und Legal 500 Germany, empfohlen.

Interview: Tobias Freudenberg / Monika Spiekermann.