Anmerkung von
Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer, BerlinRechtsanwalt beim BGH Dr. Guido Toussaint, Toussaint & Schmitt, Karlsruhe
Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 11/2023 vom 02.06.2023
Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Zivilverfahrensrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Zivilverfahrensrecht beinhaltet er eine ergänzende Leitsatzübersicht. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis des Zivilverfahrensrechts. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de.
Sachverhalt
K legt Revision ein. Fraglich ist, ob B nach §§ 114 Abs. 1 S. 1, § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO zur Verteidigung Prozesskostenhilfe zu gewähren ist. B ist Eigentümer von 6 Wohnungseigentumsrechten (3 in einem Haus A, 3 in einem Haus B). B gibt deren Wert mit insgesamt 1.125.000 EUR an. Die Wohnungseigentumsrechte sind mit Grundpfandrechten belastet, die in Höhe von ca. 500.000 EUR valutieren.
Entscheidung: Der BGH ist der Ansicht, B müsse jedenfalls ein Wohnungseigentumsrecht veräußern!
B habe zwar dargelegt und durch Vorlage von Bankbescheinigungen glaubhaft gemacht, dass ihm eine Beleihung nicht möglich und zumutbar sei und er auch keinen (weiteren) Überziehungskredit erhalte. B sei es aber zumutbar, jedenfalls ein Wohnungseigentumsrecht zu veräußern, um aus dem Erlös die Kosten der Rechtsverteidigung aufzubringen. Es sei nämlich davon auszugehen, dass B einen angemessenen Nettoerlös erzielen werde, der ausreiche, um die Verfahrenskosten zu decken.
Dem stehe nicht entgegen, dass die Wohnungen in dem Haus an B‘s Söhne und deren Familie vermietet und eine Veräußerung der Wohnungen in dem Haus B ohne vorherige Generalsanierung einschließlich der Heizungs- und Warmwasseranlage nicht wertgerecht möglich sei. Die Immobilie, die von einem Familienangehörigen bewohnt werde, stelle kein Schonvermögen nach § 115 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII dar. Der Veräußerung stehe auch die von K weiterverfolgte Schadensersatzklage nicht entgegen. Für einen eventuellen Schadensersatz hafte B persönlich, nicht das Wohnungseigentumsrecht.
Dass die Veräußerung eine gewisse Zeit in Anspruch nehme, führe nicht dazu, B als bedürftig anzusehen. Diesem Umstand sei dadurch zu begegnen, Prozesskostenhilfe unter der gleichzeitigen Anordnung der Stundung der Rückzahlung an die Justizkasse bis zu dem Zeitpunkt zu gewähren, zu welchem bei entsprechender Anstrengung mit dem Verkauf der Immobilie gerechnet werden könne.
Praxishinweis
Handelt es sich um ein Wohnungseigentumsrecht, das im gemeinsamen Eigentum mehrerer Personen steht (Miteigentum), ist streitig, ob lediglich die Beleihung des Miteigentumsanteils der bedürftigen Partei oder eine Veräußerung, die lediglich im Wege der Teilungsversteigerung oder eines gemeinsamen Verkaufs durchgesetzt werden könnte, verlangt werden kann.
BGH, Beschluss vom 18.08.2022 - V ZR 3/22 (LG München I), BeckRS 2022, 46993