Urteilsanalyse
Pfändungsschutz für im Rahmen einer Pensionszusage verpfändete Lebensversicherung
Urteilsanalyse
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Erhält der Schuldner aus einer Kapitallebensversicherung, die ihm zur Sicherung für Ansprüche aus einer seiner für seine Tätigkeit als Geschäftsführer erteilten Pensionszusage wirksam verpfändet ist, nach Pfandreife eine Einmalleistung, kann er hierfür Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte geltend machen. Dem steht nach Ansicht des BGH nicht entgegen, dass die Voraussetzungen des besonderen Pfändungsschutzes bei Altersrenten nicht gegeben sind.

27. Jul 2021

Anmerkung von

Rechtsanwältin Dr. Elske Fehl-Weileder, Fachanwältin für Insolvenzrecht, Schultze & Braun Rechtsanwaltsgesellschaft für Insolvenzverwaltung mbH

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 15/2021 vom 22.07.2021

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Sachverhalt

Der Schuldner eines Verbraucherinsolvenzverfahrens war bereits bei Insolvenzeröffnung im Jahr 2015 im Ruhestand und bezog gesetzliche Altersrente. Zuvor war der Schuldner Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH gewesen. Diese hatte ihm eine Versorgungszusage gemacht, auf deren Grundlage er ab Erreichen des 65. Lebensjahres einen monatlichen Pensionsanspruch von 3.000 DM bzw. wahlweise einen Kapitalbetrag verlangen konnte. Als Sicherheit erhielt der Schuldner zwei mit Kapitalwahlrecht ausgestaltete Rückdeckungsversicherungen verpfändet. Da die Versicherungszeiträume bei Insolvenzeröffnung bereits abgelaufen waren, vereinnahmte der Insolvenzverwalter die Versicherungsleistungen von rd. 274.000 EUR auf ein „Insolvenzanderkonto“.

Der Schuldner beantragte beim Insolvenzgericht, ihm aus den Versicherungsleistungen einen Betrag von monatlich 648 EUR pfandfrei zu belassen und zur Sicherung dieser Zahlungen dem Insolvenzverwalter aufzugeben, einen Betrag von 140.000 EUR nicht für die Masse zu verwerten. Der Insolvenzverwalter lehnte dies mit dem Argument ab, ein Antrag nach § 850i ZPO sei nicht mehr möglich, weil die Versicherungsleistungen bereits vor dem entsprechenden Pfändungsschutzantrag ausbezahlt worden seien.

Das Insolvenzgericht entschied, dem Schuldner einen Betrag von 6.923 EUR pfandfrei zu belassen. Es legte dabei eine monatliche Unterdeckung von 174 EUR zugrunde und definierte den angemessenen Zeitraum iSd § 850i Abs. 1 Satz 1 ZPO auf den Zeitraum von hier 40 Monaten zwischen Stellung des Pfändungsschutzantrages und Ablauf der Abtretungserklärung. Nachdem gegen diesen Beschluss sowohl der Schuldner als auch der Insolvenzverwalter Beschwerde eingelegt haben, wies das Beschwerdegericht den Pfändungsschutzantrag des Schuldners vollständig zurück, ließ aber die Rechtsbeschwerde zu. Das Beschwerdegericht wies den Antrag des Schuldners zurück, da § 850i ZPO von der speziellen Pfändungsvorschrift des § 851c ZPO für Altervorsorgeleistungen verdrängt werde. Der Schuldner verfolgt mit der eingelegten Rechtsbeschwerde zum BGH seinen ursprünglichen Antrag weiter.

Entscheidung

Der BGH hat die Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

Dem Schuldner stehe grundsätzlich Pfändungsschutz nach § 850i ZPO zu. Es fehle dafür nicht – wie der Insolvenzverwalter argumentiert hatte - an einem Rechtsschutzinteresse. Zwar entfalle das Rechtsschutzbedürfnis in der Einzelzwangsvollstreckung, wenn der Drittschuldner an den Gläubiger gezahlt habe, hier sei die Zahlung jedoch auf ein „Insolvenzanderkonto“ erfolgt, deren Berechtigter ausschließlich der eröffnende Rechtsanwalt ist, so dass die Zahlung durch den Drittschuldner weder in das Schuldnervermögen, noch in die Masse erfolgt sei. Außerdem sei die Anwendbarkeit des § 850i ZPO nicht durch § 851c ZPO ausgeschlossen.

Der Pfändungsschutz des § 850i ZPO umfasse alle eigenständig erwirtschafteten Einkünfte. Gewährleistet werden solle durch die weite Auslegung des § 850i ZPO, dass der Schuldner seinen Lebensunterhalt in angemessenem Umfang selbst bestreiten könne und keine staatlichen Hilfen in Anspruch nehmen müsse. Ausgenommen vom Schutzbereich seien lediglich solche Einkünfte, die der Schuldner nicht selbst erzielt hat, wie etwa Geschenke, Lottogewinne oder Ansprüche aus Erbschaften. Die Ansprüche des Schuldners aus den verpfändeten Rückdeckungsversicherungen seien als selbst erzielte Einkünfte anzusehen, da die erteilte Pensionszusage nicht nur Versorgungs-, sondern auch Entgeltcharakter habe. Zwar gebe es mit § 850c ZPO eine Sonderregelung für den Pfändungsschutz der Altersvorsorge Selbständiger, deren Vorrang betreffe jedoch lediglich den automatischen Pfändungsschutz für laufende Zahlungen und den Schutz des Vorsorgekapitals. Wenn die fraglichen Einkünfte einzelne, aber nicht alle Voraussetzungen des § 851c ZPO erfüllen, könne trotzdem ein Pfändungsschutz für diese nach § 850i ZPO bestehen. Eine andere Auffassung widerspräche dem Zweck des § 850i ZPO, die Schutzlücken für Selbständige zu schließen.

Die Schutzmechanismen beider Normen seien auch nicht gleichlaufend, insbesondere sei der nur auf Antrag zu gewährende Pfändungsschutz nach § 850i ZPO auf eine gerichtlich festzusetzende angemessene Zeitspanne beschränkt und auch der Höhe nach auf einen angemessenen Betrag begrenzt. Dies müsse das Beschwerdegericht Im Rahmen seiner erneuten Entscheidung prüfen und dabei insbesondere berücksichtigen, ob, wann und ggf. in welcher Höhe mit weiteren Einnahmen des Schuldners zu rechnen sein wird.

Praxishinweis

Der BGH weitet den Schutz der Altersvorsorge selbständiger Personen weiter aus, indem er die Kapitalleistungen verpfändeter Rückdeckungsversicherungen dem Pfändungsschutz des § 850i ZPO unterwirft. Dies mag im Einzelfall aus Sicht des Insolvenzverwalters bzw. der am Verfahren beteiligten Gläubiger ärgerlich sein, ist jedoch in der Gesamtschau angemessen.

Dass der BGH den Pfändungsschutz des § 850i ZPO auch für solche Fälle, die teilweise unter speziellere Vorschriften wie hier etwa den § 850c ZPO fallen, gleichermaßen als darunter liegendes Netz aufspannt, sichert den intendierten Gleichlauf des Schutzes der Altersversorgung von angestellten und selbständigen Personen und entlastet außerdem die Sozialsysteme. Angemessen ist dies insbesondere deshalb, weil der Pfändungsschutz des § 850i ZPO nicht automatisch den Gesamtbetrag der Einkünfte dem Schuldner zuordnet, sondern lediglich in angemessener Höhe und für einen angemessenen Zeitraum dessen Existenzminimum gewährleisten soll. Wie im vorliegenden Fall dürfte daher in vielen Fällen auch der Insolvenzmasse ein Zufluss verbleiben.

Welchen Zeitraum das Beschwerdegericht in seiner erneuten Entscheidung als angemessen festsetzen wird, ist mit Spannung zu erwarten. Sollte es den Zeitraum auf den Ablauf der Wohlverhaltensperiode begrenzen, schont dies die Masse, dürfte aber dem Schutzzweck des § 850i ZPO nicht gerecht werden. Wahrscheinlicher dürfte sein, dass das Beschwerdegericht die statistische Lebenserwartung des Schuldners zugrunde legen wird, um dessen Existenzminimum auch über das Ende der Wohlverhaltensperiode hinaus sicherzustellen. Wie in diesem Fall allerdings nach Beendigung des Insolvenzverfahrens die praktische Gestaltung aussehen soll, ist eine weitere offene Frage. Aus einer „nachhängenden“ Abwicklung könnte sich erhebliche Zusatzarbeit für den vormaligen Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder geben. Ob der Pfändungsschutz nach § 850i ZPO auch gegeben ist, wenn der Vermögenswert schon vor dem Antrag auf ein Sonderkonto des Verwalters vereinnahmt wird und damit Massebestandteil wird, hat der BGH übrigens ausdrücklich offen gelassen, sodass das Thema voraussichtlich in einer solchen Konstellation noch einmal die Gerichte beschäftigen dürfte.

BGH, Beschluss vom 29.04.2021 - IX ZB 25/20 (LG Nürnberg), BeckRS 2021, 16095