Kolumne
Onlineunzugang
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Bei der Verwaltungsdigitalisierung soll es jetzt ganz schnell vorangehen. Wie es schon in den vergangenen fünf Jahren ganz schnell vorangehen sollte. Dazu hatte man 2017 das Onlinezugangsgesetz (OZG) verabschiedet, das Bund, Länder und Gemeinden verpflichtete, bis Ende 2022 „ihre Verwaltungsleistungen auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten“ und diese „miteinander zu einem Portalverbund zu verknüpfen“. Leider konnte die Frist nicht eingehalten werden.

28. Feb 2023

Nun soll es eine neue Regelung richten, ein Onlinezugangsgesetz 2.0. Die Bezeichnung ist etwas unglücklich. Erstens nervt diese inflationäre Kategorisierung von Entwicklungsstufen und zweitens steht 2.0 nicht gerade für Fortschritt. Immerhin sind wir bereits beim Web 3.0, die Industrie ist sogar schon bei 4.0. Sagt sie jedenfalls von sich selbst. Das Bundesinnenministerium hat nun jedenfalls einen Referentenentwurf hierfür vorgelegt. Die wichtigste Neuerung darin: Die Streichung der OZG-Umsetzungsfrist. Verwaltungsdigitalisierung wird jetzt als Daueraufgabe verstanden, heißt es zur Begründung. Als Bürger ist man einen kurzen Moment fassungslos über so viel politische Chuzpe. Aber dann denkt man sich: Ob gesetzliche Fristen nicht eingehalten oder gar nicht erst festgeschrieben werden, ist eigentlich auch egal.

Dem Nationalen Normenkontrollrat ist jetzt aber der Geduldsfaden gerissen. Angesichts der bisher „ernüchternden Bilanz“ sei eine „mutige und nachhaltige Trendumkehr“ nötig, heißt es in einem Positionspapier. Die sei aber nicht erkennbar. Stattdessen halte der Entwurf des OZG-Änderungsgesetzes stur an der Zielsetzung sowie an grundlegenden Mechanismen und Strukturen der bisherigen Verwaltungsdigitalisierung fest. Man kann den Ärger des Kontrollrats gut nachvollziehen. Seit Jahren fordert er Maßnahmen ein, erstellt Gutachten und macht Vorschläge. Sie werden genau so beharrlich ignoriert, wie die Umsetzungsfrist im OZG. Im Monitor Digitale Verwaltung fasst das Wächtergremium seine Bewertungen regelmäßig zusammen. In dessen sechster Ausgabe aus September 2021 gibt es auf Seite 8 ein Schaubild, das die Beteiligten, Strukturen und Zuständigkeiten unter der rhetorischen Frage „Funktioniert das?“ darstellt. Sehen Sie es sich unbedingt an, Sie finden es hier. Es ist Bürokratieirrsinn im Querformat.

Man kann damit übrigens auch prima Kinder bespaßen, indem man es als Wimmelbild nutzt. Es ist eine große Freude für alle Beteiligten, wenn man es ihnen vorlegt und sie beispielweise die FITKO (Föderale IT-Kooperation) suchen lässt. Wenn sie sich sehr konzentrieren und die Beleuchtung gut ist, finden sie nach ein paar Minuten stolz das Logo. Der Spielspaß lässt sich verlängern, wenn man sie anschließend raten lässt, ob es Menschen oder USB-Stecker in Deutschlandfarben symbolisiert. Oder vielleicht sogar beides.

Trotz der Spielfreude hinterlässt das Schauwimmelbild des Normenkontrollrats am Ende Resignation. Denn auch die Kinder, im Umgang mit Unordnung und Chaos geübt, beantworten nach einem kurzen Blick darauf die Frage „Funktioniert das?“ mit einem klaren Nein.

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Tobias Freudenberg ist Rechtsanwalt und Schriftleiter der NJW, Frankfurt a.M..