Urteilsanalyse

OLG Saar­brü­cken: Ver­pflich­tung des Ver­si­che­rungs­neh­mers zur Rück­nah­me eines ent­wen­de­ten Fahr­zeugs
Urteilsanalyse
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Sehen die Be­din­gun­gen eines Kas­ko­ver­si­che­rers die Ver­pflich­tung des Ver­si­che­rungs­neh­mers zur Rück­nah­me des ent­wen­de­ten Fahr­zeugs für den Fall vor, dass die­ses «in­ner­halb eines Mo­nats nach Ein­gang der Scha­dens­an­zei­ge» wie­der auf­ge­fun­den wird, so setzt nach einem Ur­teil des OLG Saar­brü­cken auch die münd­li­che (te­le­fo­ni­sche) An­zei­ge der Fahr­zeug­ent­wen­dung ge­gen­über dem Ver­si­che­rungs­ver­tre­ter die Mo­nats­frist in Lauf.

1. Dez 2020

An­mer­kung von
Se­na­tor E. h. Ott­heinz Kääb, LL.M., Rechts­an­walt und Fach­an­walt für Ver­kehrs­recht und Ver­si­che­rungs­recht, Mün­chen

Aus beck-fach­dienst Stra­ßen­ver­kehrs­recht 23/2020 vom 19.11.2020

Diese Ur­teils­be­spre­chung ist Teil des zwei­wö­chent­lich er­schei­nen­den Fach­diens­tes Stra­ßen­ver­kehrs­recht. Neben wei­te­ren aus­führ­li­chen Be­spre­chun­gen der ent­schei­den­den ak­tu­el­len Ur­tei­le im Stra­ßen­ver­kehrs­recht be­inhal­tet er er­gän­zen­de Leit­satz­über­sich­ten und einen Über­blick über die re­le­van­ten neu er­schie­ne­nen Auf­sät­ze. Zudem in­for­miert er Sie in einem Nach­rich­ten­block über die wich­ti­gen Ent­wick­lun­gen in Ge­setz­ge­bung und Pra­xis des Stra­ßen­ver­kehrs­rechts. Wei­te­re In­for­ma­tio­nen und eine Schnell­be­stell­mög­lich­keit fin­den Sie unter www.​beck-​online.​de

AKB 2015 A.2.​5.​5.​1; BGB §§ 133157164 III; VVG § 69 I Nr. 2

Sach­ver­halt

Der Klä­ger hat für sein Fahr­zeug eine Teil­kas­ko­ver­si­che­rung bei der Be­klag­ten unter Ver­wen­dung von AKB mit Stand Mai 2017 ab­ge­schlos­sen. Am 06.04.2018 wurde das Fahr­zeug ent­wen­det. Am glei­chen Tag mel­de­te der Klä­ger den Scha­den bei einem Ver­si­che­rungs­agen­ten der Be­klag­ten. Das Scha­dens­for­mu­lar schick­te er am 03.05.2018 zu­rück.

Am 08.05.2018 wurde das Fahr­zeug von der Po­li­zei auf­ge­fun­den. Dies teil­te die Be­klag­te dem Klä­ger mit Schrei­ben vom 09.05.2018. Sie teil­te auch mit, dass die in den Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen ver­ein­bar­te Mo­nats­frist für den Über­gang des Ei­gen­tums am Fahr­zeug auf den Ver­si­che­rer noch nicht ab­ge­lau­fen sei. Das Fahr­zeug könne nach Frei­ga­be durch die Po­li­zei bei einem be­stimm­ten Ab­schlepp­un­ter­neh­men ab­ge­holt wer­den. Die Be­klag­te ließ ein Gut­ach­ten fer­ti­gen. Darin waren klei­ne­re Schä­den am Fahr­zeug mit rund 1.200 EUR be­zif­fert und es wurde ein Wie­der­be­schaf­fungs­wert von rund 14.000 EUR fest­ge­stellt. Der Lis­ten­preis be­trug netto rund 20.000 EUR.

Die Be­klag­te ließ die Schä­den am Fahr­zeug re­pa­rie­ren. Da das Fahr­zeug mit einem Ori­gi­nal­schlüs­sel ent­wen­det wor­den war, ließ sie fer­ner eine neue Schlie­ß­an­la­ge ein­bau­en und for­der­te nun den Klä­ger auf, das Fahr­zeug ab­zu­ho­len. Dar­auf­hin reich­te die­ser Klage auf Neu­wer­t­ent­schä­di­gung ein.

Der Klä­ger ver­trat die Auf­fas­sung, dass die Mo­nats­frist, in der er zur Rück­nah­me des Fahr­zeugs ver­pflich­tet war, ab­ge­lau­fen sei. Er ar­gu­men­tiert, die Mo­nats­frist habe schon mit der te­le­fo­ni­schen Mel­dung des Ver­si­che­rungs­fal­les zu lau­fen be­gon­nen. In den Ver­si­che­rungs­be­din­gun­gen sei der Be­ginn die­ser Frist nicht wei­ter be­schrie­ben.

Recht­li­che Wer­tung

Vor dem Land­ge­richt schei­ter­te der Klä­ger, mit der Be­ru­fung hatte er teil­wei­se Er­folg. Der Klä­ger habe nach Ein­tritt des un­strei­ti­gen Ver­si­che­rungs­falls An­spruch auf Er­satz der ge­schul­de­ten Ent­schä­di­gung sowie auf Aus­zah­lung eines auf­grund der vor­ge­leg­ten Er­mäch­ti­gung be­rech­tig­ter­wei­se zu­guns­ten der fi­nan­zie­ren­den Bank sich er­ge­ben­den Spit­zen­be­tra­ges, ent­schied das OLG.

Die ver­trag­li­chen Vor­aus­set­zun­gen seien sämt­lich er­füllt. Der Klä­ger sei zur Rück­nah­me des ent­wen­de­ten Fahr­zeugs ver­pflich­tet, wenn die­ses «in­ner­halb eines Mo­nats nach Ein­gang der Scha­den­an­zei­ge» wie­der auf­ge­fun­den werde. Die Mo­nats­frist könne nicht erst mit Ein­gang der schrift­li­chen Scha­den­an­zei­ge be­gin­nen, son­dern laufe schon mit der te­le­fo­ni­schen An­zei­ge des Ver­si­che­rungs­falls ge­gen­über dem Agen­ten der Be­klag­ten.

Pra­xis­hin­weis 

Die Ent­schei­dung wird hier vor­ge­legt, weil über den Fris­ten­lauf der Wie­der­bei­brin­gungs­zeit­räu­me häu­fig Streit ent­steht. Wel­che Frist und ab wann sie gilt, ist vom Ober­lan­des­ge­richt klar be­ant­wor­tet wor­den. Der Senat hat im Üb­ri­gen eine Viel­zahl klei­ne­rer Strei­tig­kei­ten, die bei der­ar­ti­gen Fäl­len häu­fi­ger auf­tre­ten, mit be­ant­wor­tet. Ge­ra­de weil zur Frage der Kas­ko­ent­schä­di­gung sehr um­fang­reich Stel­lung ge­nom­men wurde, ist die Ent­schei­dung für die Pra­xis von er­heb­li­cher Be­deu­tung.

OLG Saar­brü­cken, Ur­teil vom 30.09.2020 - 5 U 91/19 (LG Saar­brü­cken), BeckRS 2020, 29986