Urteilsanalyse
OLG Koblenz: Zwangsgeld bei Verweigerung der Errichtung eines Nachlassverzeichnisses durch einen Notar
Urteilsanalyse
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Der Schuldner einer Auskunftsverpflichtung hat, wenn der beauftragte Notar untätig bleibt oder unzureichend tätig wird, im Wege der Dienstaufsicht oder im Zivilrechtsweg ein hinreichendes Nachlassverzeichnis zu erzwingen, indem dienstrechtliche Maßnahmen gegen den Notar eingeleitet werden, oder aber einen anderen Notar mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses zu beauftragen. 


30. Sep 2020

Anmerkung von 
JR Dr. Wolfgang Litzenburger, Notar in Mainz
 
Aus beck-fachdienst Erbrecht 9/2020 vom 25.09.2020

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Sachverhalt

Mit Beschluss vom 24.03.2020 hat das LG den Antrag der Klägerin und Gläubigerin (im Folgenden: Klägerin) auf Festsetzung eines Zwangsgeldes, ersatzweise Zwangshaft, zur Erzwingung der in dem Verfahren 11 O 88/19 LG Trier mit Teilurteil vom 09.07.2019 festgestellten Auskunftsverpflichtung durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Das Landgericht hat dieser nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die Klägerin, Tochter des Erblassers, nimmt die Beklagte, dessen Ehefrau, auf Zahlung von Pflichtteil und Pflichtteilsergänzung in Anspruch. Die Beklagte wurde durch Teilurteil vom 20.08.2019 zur Auskunftserteilung über den Nachlass durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verurteilt.

Die Beklagte hatte bereits im Sommer 2018 den in T. ansässigen Notar S. damit beauftragt, das Nachlassverzeichnis zu erstellen, womit der Notar auch begann. Nachdem die Klägerin nicht bereit war, bei der Aufnahme der beweglichen Nachlassgegenstände anwesend zu sein und mitzuwirken, lehnte der Notar die Erstellung des Nachlassverzeichnisses ab. Die Beklagte strengte daraufhin im September 2019 gegen den Notar ein Beschwerdeverfahren bei dem Landgericht Trier an, in welchem die Beschwerdekammer den Notar am 22.01.2020 anwies, ein notarielles Nachlassverzeichnis zu erstellen, ohne die Erstellung von der Mitwirkung der pflichtteilsberechtigten Klägerin abhängig zu machen. Im weiteren Verlauf jenes Verfahrens folgten eine Anhörungsrüge des Notars und ein Zwangsgeldantrag der Beklagten gegenüber dem Notar. Eine zwischenzeitlich eingelegte Verfassungsbeschwerde des Notars blieb erfolglos. Nach einem weiteren Ortstermin vom 06.07.2020 wurde durch den Notar die Vorlage des Verzeichnisses für die 32. Kalenderwoche angekündigt. Die Beklagtenvertreter haben mit Schriftsatz vom 07.08.2020, eingegangen per Fax bei Gericht am 07.08.2020, mitgeteilt, der Gegenseite an diesem Tag unmittelbar Abschriften des Nachlassverzeichnisses übersandt zu haben.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Ablehnung ihres Zwangsgeldantrags.

Entscheidung: Zu Recht ist der Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes zurückgewiesen worden, weil die Beklagte zur Erfüllung ihrer Auskunftsverpflichtung der Mitwirkung des Notars bedurfte und sie alle in ihrer Macht stehenden Maßnahmen, diesen zur Pflichterfüllung zu veranlassen, unternommen hat.

Die hier titulierte Auskunftsverpflichtung der Beklagten stellt eine unvertretbare Handlung dar. Eine solche unvertretbare Handlung kann nach § 888 ZPO vollstreckt werden, wenn nur der Wille des Schuldners zu beugen ist, der auch verpflichtet ist, alles tatsächlich und rechtlich in seiner Macht Stehende zu tun, um die Mitwirkung oder Zustimmung des Dritten zu erlangen. Dem entsprechend hat der Schuldner einer Auskunftsverpflichtung, wenn der beauftragte Notar untätig bleibt oder unzureichend tätig wird, im Wege der Dienstaufsicht oder im Zivilrechtsweg ein hinreichendes Nachlassverzeichnis zu erzwingen, indem dienstrechtliche Maßnahmen gegen den Notar eingeleitet werden, oder aber einen anderen Notar mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses zu beauftragen (vgl. OLG Koblenz DNotZ 2014, 780; OLG Zweibrücken BeckRS 2015, 13119). Erst wenn feststeht, dass trotz derartigen intensiven Bemühens um die Mitwirkungshandlung des Dritten diese nicht zu erlangen ist, ist die titulierte unvertretbare Handlung nicht unmittelbar erzwingbar. Voraussetzung für eine solche Feststellung ist, dass der Vollstreckungsschuldner alles in seiner Macht Stehende getan hat, um die Mitwirkung des Dritten zu erlangen, und dass er seine darauf gerichteten Bemühungen im Einzelnen dargelegt hat.

Die Beklagte hat diesen Anforderungen entsprochen. Sie hat sich noch vor Eintritt der Rechtskraft des Teilurteils konsequent um die Errichtung eines Nachlassverzeichnisses durch den Notar S. bemüht, indem sie ein Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht angestrengt hat, welches mit dem Beschluss der Beschwerdekammer endete, wodurch der Notar zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses angewiesen wurde. Dass sich das Verfahren durch eine anschließende Anhörungsrüge seitens des Notars und die spätere Anrufung des Bundesverfassungsgerichts durch diesen in die Länge zog, ist nicht der Beklagten, die im weiteren Verlauf auch einen Zwangsgeldantrag gegen den Notar stellte, anzulasten.

Auch die Beauftragung eines anderen Notars hätte sich insofern nicht als zweckmäßig erwiesen, da dadurch kein zeitlicher Vorteil zu erwarten gewesen wäre. Der Senat teilt die Einschätzung des Landgerichts, dass die zeitnahe Beauftragung eines anderen Notars, welcher bereit und in der Lage gewesen wäre, das Nachlassverzeichnis anstelle des bereits mit der Sache befassten Notars S. aufzunehmen, nicht erfolgversprechend war. Die noch heute fortdauernden, aber insbesondere im Frühjahr 2020 massiv bestehenden Einschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens durch das Virus SARS-CoV-2 führten, wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, zu einer zusätzlichen tatsächlichen Schwierigkeit bei der Beauftragung eines neuen Notars, auf die das Landgericht nicht eigens hinzuweisen brauchte. Die Beauftragung eines bisher mit der Sache nicht befassten Notars wäre, abgesehen von diesen praktischen Erwägungen, voraussichtlich ohnehin nicht geeignet gewesen, zu einer früheren Beendigung des Verfahrens zu führen, da mit dessen neu beginnender Tätigkeit ein erheblicher Zeitverlust verbunden gewesen wäre.

Praxishinweis

Weil Notare nicht selten versuchen, sich ihrer unbedingten Amtspflicht zur Errichtung von Nachlassverzeichnissen zu entziehen, geraten die zur Auskunftserteilung verpflichteten Erben häufig in ein Dilemma. Der bzw. die Erben als Schuldner des Auskunftsanspruchs können diesen nur erfüllen, wenn der Notar seine Amtspflichten, zu denen auch eigene Ermittlungspflichten gehören (vgl. OLG Koblenz a.a.O.), in einer angemessenen Zeit erfüllt. Weigert er sich oder verzögert er ohne hinreichenden Grund die Erstellung des Nachlassverzeichnisses, so haften der bzw. die Erben für den Notar, weil er bzw. sie dadurch der Gefahr ausgesetzt ist bzw. sind, dass Zwangsgeld festgesetzt wird.

Der Senat des OLG Koblenz hat im vorliegenden Fall jedoch völlig zu Recht die Festsetzung eines solchen Zwangsgeldes abgelehnt, weil der Auskunftsverpflichtete alles in seiner Macht Stehende unternommen hatte, um den beauftragten Notar zur Erfüllung seiner Amtspflichten zu veranlassen.

Dieser Fall sowie eigene Erkenntnisse über Amtsverweigerungen durch Notare aus der jüngsten Vergangenheit geben Anlass zu der Feststellung, dass alle Notare gemäß § 20 Abs. 1 BNotO zur „Aufnahme von Vermögensverzeichnissen" nicht nur zuständig, sondern auch unbedingt verpflichtet sind. Zuständig ist dabei derjenige, in dessen Amtsbereich sich Vermögenswerte befinden, die aufzunehmen sind. Es handelt sich dabei nämlich um Urkundstätigkeit (vgl. § 10a Abs. 2 BNotO), die der Notar gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 BNotO nicht „ohne ausreichenden Grund" verweigern darf. Vor allem der Zeitaufwand oder das Haftungsrisiko im Falle der Zurückweisung des notariellen Vermögensverzeichnisses durch das Prozessgericht scheiden dabei als Ablehnungsgründe aus. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer deshalb zu Recht zur Amtsausübung angewiesen. Selbst mit einer Verfassungsbeschwerde ist der Notar insoweit gescheitert. Vor diesem Hintergrund sollten Notare in Zukunft den Urkundsgewährungsanspruch trotz aller Schwierigkeiten bei der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses mit der gebotenen Sorgfalt erfüllen.


OLG Koblenz, Beschluss vom 10.08.2020 - 12 W 136/20, BeckRS 2020, 21002