Urteilsanalyse

Nut­zungs­aus­fall­ent­schä­di­gung trotz sehr lan­ger Re­pa­ra­tur­dau­er
Urteilsanalyse
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Ver­zö­ge­run­gen bei der Re­pa­ra­tur des un­fall­be­schä­dig­ten Kfz, die nicht vom Ge­schä­dig­ten zu ver­tre­ten sind, gehen zu Las­ten des Schä­di­gers. In­so­fern kann von dem Ge­schä­dig­ten eine Nut­zungs­aus­fall­ent­schä­di­gung auch für einen län­ge­ren Zeit­raum (hier: 104 Tage) be­an­sprucht wer­den. Dies hat das Ober­lan­des­ge­richt Düs­sel­dorf ent­schie­den.

27. Apr 2021

An­mer­kung von
Se­na­tor E. h. Ott­heinz Kääb, LL.M., Rechts­an­walt und Fach­an­walt für Ver­kehrs­recht und Ver­si­che­rungs­recht, Mün­chen

Aus beck-fach­dienst Stra­ßen­ver­kehrs­recht 7/2021 vom 14.04.2021

Diese Ur­teils­be­spre­chung ist Teil des zwei­wö­chent­lich er­schei­nen­den Fach­diens­tes Stra­ßen­ver­kehrs­recht. Neben wei­te­ren aus­führ­li­chen Be­spre­chun­gen der ent­schei­den­den ak­tu­el­len Ur­tei­le im Stra­ßen­ver­kehrs­recht be­inhal­tet er er­gän­zen­de Leit­satz­über­sich­ten und einen Über­blick über die re­le­van­ten neu er­schie­ne­nen Auf­sät­ze. Zudem in­for­miert er Sie in einem Nach­rich­ten­block über die wich­ti­gen Ent­wick­lun­gen in Ge­setz­ge­bung und Pra­xis des Stra­ßen­ver­kehrs­rechts. Wei­te­re In­for­ma­tio­nen und eine Schnell­be­stell­mög­lich­keit fin­den Sie unter www.​beck-​online.​de

BGB §§ 249254

Sach­ver­halt

Bei un­strei­ti­gem An­spruchs­grund be­gehrt die Klä­ge­rin wei­te­ren Scha­den­er­satz aus einem Ver­kehrs­un­fall. Im We­sent­li­chen geht es dabei um Nut­zungs­aus­falls­ent­schä­di­gung. Das klä­ge­ri­sche Fahr­zeug ist wegen der Re­pa­ra­tur über 127 Tage hin­weg aus­ge­fal­len.

Die Klä­ge­rin hat einen Teil ihrer An­sprü­che beim Land­ge­richt er­hal­ten, ver­folgt aber mit ihrer Be­ru­fung wei­ter­ge­hen­de An­sprü­che. Ur­sa­che für die Ver­zö­ge­rung der Re­pa­ra­tur war eine Er­satz­teil­be­schaf­fung. Ein Air­bag­mo­dul für die Bei­fah­rer­tür war nicht so­fort lie­fer­bar und der an die rech­te vor­de­re Tür füh­ren­de Ka­bel­baum wurde erst Mo­na­te spä­ter der Re­pa­ra­tur­fir­ma ge­lie­fert.

Recht­li­che Wer­tung

Die Klä­ge­rin dringt mit ihrem Vor­trag über­wie­gend durch. Der Ge­schä­dig­te sei nicht ver­pflich­tet, sich über eine an­de­re Firma einen schnel­ler zu lie­fern­den Ka­bel­baum zu si­chern und eine flot­te­re Lie­fe­rung des Air­bag­mo­duls zu er­rei­chen.

Die Be­klag­te habe zudem ihrer se­kun­dä­ren Dar­le­gungs- und Be­weis­last hin­sicht­lich der Ver­zö­ge­rung nicht ge­nügt, denn sie habe noch nicht ein­mal feste Be­haup­tun­gen auf­ge­stellt, son­dern nur pau­schal vor­ge­tra­gen, dass sie «davon aus­ge­he», dass eine ra­sche­re Er­satz­teil­lie­fe­rung über eine an­de­re Firma mög­lich ge­we­sen wäre.

Hat die Werk­statt die Ver­zö­ge­rung mit Lie­fer­schwie­rig­kei­ten bei Er­satz­tei­len (hier: Air­bag-Modul für die Bei­fah­rer­sei­te) be­grün­det, trifft den Ge­schä­dig­ten keine da­hin­ge­hen­de Scha­den­min­de­rungs­pflicht, selbst bei an­de­ren Werk­stät­ten oder bei dem Fahr­zeug­her­stel­ler nach der Ver­füg­bar­keit der Er­satz­tei­le zu for­schen. Er darf sich viel­mehr grund­sätz­lich dar­auf ver­las­sen, dass die von ihm be­auf­trag­te Werk­statt sich unter Aus­schöp­fung aller ver­füg­ba­ren Mög­lich­kei­ten um die zeit­na­he Be­schaf­fung der Er­satz­tei­le be­mü­hen wird.

Die Klä­ge­rin sei zwar in der Aus­falls­zeit mit dem Fahr­zeug ihres Soh­nes, das in des­sen Ei­gen­tum steht, teil­wei­se ge­fah­ren, aber dies ent­las­te den Schä­di­ger nicht. Die­ses Fahr­zeug könne nicht als «Zweit­fahr­zeug» be­zeich­net wer­den, son­dern sei kos­ten­los vom Sohn der Mut­ter zur Ver­fü­gung ge­stellt wor­den.

Der Ge­schä­dig­te müsse sich zur Ver­kür­zung der Aus­fall­zeit auch grund­sätz­lich nicht mit einer Teil­re­pa­ra­tur sei­nes Kfz zu­frie­den geben.

Wei­te­re Ver­pflich­tun­gen könne man der Klä­ge­rin nicht auf­er­le­gen.

Pra­xis­hin­weis

Die Ent­schei­dung wird hier vor­ge­legt, weil zum Nut­zungs­aus­fall und zu den Ver­pflich­tun­gen des Ge­schä­dig­ten um­fas­sen­de Aus­füh­run­gen vom Senat ge­macht wer­den, der Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur in rei­chem Maße ver­wer­tet. Des­halb ist die­ses Ur­teil für die Pra­xis von Be­deu­tung.

OLG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 09.03.2021 - 1 U 77/20 (LG Düs­sel­dorf), BeckRS 2021, 5819