Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff
Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.
Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 21/2020 vom 05.11.2020
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Sachverhalt
Der Beklagte ist Eigentümer einer Zweizimmerwohnung mit einer Größe von ca. 50 m². In der Teilungserklärung ist die Einheit als Wohnung ausgewiesen. Der Beklagte vermietet die Wohnung für kurze Zeiträume an wechselnde Monteure. Er bewirbt die Wohnung für „bis zu 4 Personen“, wobei die tatsächliche Zahl der regelmäßigen Nutzer zwischen den Parteien streitig ist. Die Klägerin, die erstinstanzlich unterlag, begehrt weiter mit ihrer Berufung die Unterlassung dieser Nutzung.
Entscheidung
Das LG Bremen beabsichtigt, die Berufung der Klägerin mangels Aussicht auf Erfolg zurückzuweisen.
Der Klägerin stehe weder aus § 1004 BGB noch aus § 15 Abs. 3 WEG ein Anspruch auf Unterlassung der von dem Beklagten praktizierten Nutzung der Wohnung in der Gestalt ihrer wechselnden Vermietung an Handwerksmonteure durch eine Zwischenvermieterin zu.
Eine generelle gesetzliche oder teilungserklärungsmäßige Vorgabe, mit wie vielen Personen die Wohnung des Beklagten genutzt werden dürfe, existiere nicht. Dass die Teilungserklärung vorsehe, dass Nebenkosten wie Reinigung, Instandhaltung und Instandsetzung und Beleuchtung des Treppenhauses sowie die Stromkosten für die Beleuchtung des Treppenhaues und für die Klingelanlage, für die Außenbeleuchtung des Hauses, für die Beleuchtung der Kellerflure und der sonstigen gemeinschaftlichen Räume sowie der Wasserverbrauch einschließlich der Grundgebühr und der Kanalnutzungsgebühr von den jeweiligen Eigentümern nach der Zahl der in ihrer Wohnung lebenden Personen gezahlt würden, lege die Zahl der Personen, die in den jeweiligen Wohnungen leben dürfen, weder direkt noch indirekt fest, sondern passe die Verteilung der Kosten eben gerade an die Zahl der jeweiligen Wohnungsnutzer an. Dass in der Wohnung des Beklagten nicht mehr als zwei Personen leben dürfen, ließe sich daraus deshalb nicht ableiten.
Auch sei nicht erkennbar, dass bei einer Wohnungsüberlassung an mehr als zwei Personen in der Wohnung des Beklagten eine Überbelegungssituation entstehe, deren Ausmaß bereits abstrakt erkennen ließe, dass dies mit Unzuträglichkeiten für die übrigen Hausbewohner einhergehen müsse, die das von ihnen gemäß § 14 Nr. 1 WEG hinzunehmende Maß überschritten.
Eine solche Überbelegung sei regelmäßig jedenfalls dann nicht als gegeben anzusehen, wenn in einer 50 m² großen Zweizimmerwohnung zwei nicht familiär verbundene Personen lebten oder für jede erwachsene Person ca. 10 m² vorhanden seien.
Vorliegend werde die Wohnung von der Zwischenmieterin für eine Zahl von bis zu vier Monteuren beworben, also für eine Personenzahl, die sich in dem vorzitierten Rahmen bewege. Wann und wie häufig diese Richtgröße in der Wohnung des Beklagten überschritten worden sei, habe die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. Im Übrigen würde ein gelegentliches Überschreiten der genannten Richtwerte nicht ohne weiteres ein Verbietungs- bzw. Begrenzungsrecht rechtfertigen.
Die vorgenannte Nutzung der Wohnung halte sich auch im Rahmen der durch die Teilungserklärung bestimmten Nutzung zu Wohnzwecken. In Ermangelung einer anderweitigen Festlegung in der Teilungserklärung bewege sich die Vermietung einer Eigentumswohnung an in kurzer Zeit wechselnde Feriengäste oder andere Mieter im zulässigen Rahmen einer in der Teilungserklärung Wohnungszwecken gewidmeten Wohnung. Ob eine konkrete Nutzungsform den Rahmen einer nicht weiter durch Bestimmungen in der Teilungserklärung oder sonstigen Vereinbarungen beschränkten Wohnnutzung überschreite, bestimme sich danach, ob diese die anderen Wohnungseigentümer stärker beeinträchtige, als bei einer Nutzung des Wohneigentums zu Wohnzwecken typischer Weise zu erwarten sei. Danach sei gemäß Art. 14 GG iVm § 13 Abs. 1 WEG die Nutzung einer Wohnung weder auf die in der Wohnungseigentumsanlage vorherrschenden Wohnnutzungsart, noch überhaupt auf Nutzung der Wohnung ausschließlich zu Wohnzwecken beschränkt, sofern sich denn die konkrete Nutzung typischerweise in dem genannten Rahmen zu bewegen pflege. Dies gelte im Rahmen der danach gebotenen typisierenden Betrachtungsweise auch in den Fällen einer kurzzeitigen und wechselnden Vermietung von Eigentumswohnungen an Feriengäste oder andere Mieter.
Die Art der beanstandeten Nutzung als solche könne auch nicht mit Verweis darauf untersagt werden, dass ihretwegen Lärmbelästigungen, Ruhestörungen und Verschmutzungen einhergingen. Der Klägerin sei zwar unbenommen, die Unterlassung dieser konkreten Ausprägung der beanstandeten Nutzung zu verlangen, nicht aber die kurzfristige und wechselnde Vermietung gänzlich auch in störungsfreier Ausprägung verbieten zu lassen, wie sie es mit ihrer Klage verlange.
Praxishinweis
Dem Hinweisbeschluss des LG Bremen ist zuzustimmen.
Zur Frage der Überbelegung orientiert sich das Gericht an der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte:
Eine Belegung von durchschnittlich 10 m² pro Person wird bei der Unterbringung von Familien als zulässig erachtet (OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.05.1994 - 20 W 216/94, OLGZ 1994, 532). Wegen der zusätzlichen Belastungen, die sich durch die Unterbringung von untereinander fremden Einzelpersonen im Vergleich zur Unterbringung von Familien ergeben, wird die zulässige Höchstzahl für die Unterbringung von Einzelpersonen niedriger, nämlich bei einer Richtzahl von höchstens zwei Einzelpersonen pro Zimmer angenommen (BayObLG, Beschluss vom 09.02.1994 - 2Z BR 7/94, NJW 1994, 1662; KG, Beschluss vom 10.07.2002 - 24 W 3030/92, WuM 1992, 554).
Mit der Kurzzeitvermietung einhergehende Störungen wie Überbelegung, fortwährende Verstöße gegen die Hausordnung oder Lärmbelästigungen durch Feriengäste können einen Unterlassungsanspruch der übrigen Wohnungseigentümer gemäß § 15 Abs. 3 WEG begründen (BGH, Urteil vom 12.04.2019 - V ZR 112/18, NJW 2019, 2083, besprochen in FD-MietR 2019, 417126).
Im Übrigen folgt das LG Bremen der BGH-Rechtsprechung zur Vermietung der Wohnung an wechselnde Feriengäste (BGH, Urteil vom 15.01.2010 - V ZR 72/09, NZM 2010, 285). Ebenso wie die Überlassung einer Wohnung zum Dauerbewohnen durch eine asylberechtigte Familie (BayObLG, Beschluss vom 28.11.1991 - BReg. 2 Z 133/91, NJW 1992, 917) und als Unterkunft für einen laufend wechselnden Kreis von Aus- und Übersiedlern (OLG Stuttgart, Beschluss vom 13.08.1992 - 8 W 219/92, NJW 1992, 3046) ist auch die Nutzung als Monteurswohnung wohnungseigentumsrechtlich zulässig.
Zurecht nicht thematisiert hat das LG Bremen die Frage, ob sich durch die hier vorliegende gewerbliche Zwischenvermietung zur Nutzung zu anderen als Wohnzwecken führt, da wegen der Untervermietung zu Wohnzwecken bei der erforderlichen generalisierenden Betrachtungsweise keine über die Wohnnutzung hinausgehenden Beeinträchtigungen der anderen Wohnungseigentümer ergeben.
LG Bremen, Beschluss vom 12.05.2019 - 4 S 267/19 (AG Bremen), BeckRS 2020, 11177