NJW-Editorial
Nutzen interner Ermittlungen
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Kürzlich hat der Verwaltungsrat des RBB die von ihm beauftragte Compliance-Ermittlung wegen „Miss- und Vetternwirtschaft“ inmitten der Untersuchung gestoppt. Die Berichterstattung darüber bestätigte den schlechten Ruf, den interne Ermittlungen in Wirtschaft, Gesellschaft und bei Behörden haben: teuer, förderlich für Denunziantentum und interessengeleitet. Tatsächlich sind sie nicht nur nützlich, sondern unverzichtbar.

10. Aug 2023

Kürzlich hat der Verwaltungsrat des RBB die von ihm beauftragte Compliance-Ermittlung wegen „Miss- und Vetternwirtschaft“ inmitten der Untersuchung gestoppt. Die Kosten seien immens, so liest es sich, und angesichts paralleler behördlicher Ermitt­lungen sei der Nutzen begrenzt. Diese Berichterstattung bestätigt den schlechten Ruf, den interne Ermittlungen in Wirtschaft, Gesellschaft und bei Behörden haben. Sie ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die alles, was mit „Compliance“ zu tun hat, ohnehin schon verteufeln: Compliance-Untersuchungen kosten viel Geld und sind eine Cash Cow für Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer, sagen manche. Sie stören die Unternehmenskultur, fördern Denunziantentum und untergraben das Vertrauen der Beschäftigten untereinander, sagen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Internal Investigations verderben Beweismittel und behindern damit professionelle behördliche Ermittlungen, ­sagen Staatsanwälte. Sie sind interessengeleitet und daher unzuverlässig, sagen Aufsichtsbehörden. Und sie nützen nichts, weil sie im Vergleich zu behördlichen Untersuchungen keinen Mehrwert haben, sagte zuletzt auch der Verwaltungsrat des RBB.

Tatsächlich sind interne Ermittlungen allerdings von großem Nutzen. Und sie sind unverzichtbar: Das Legalitätsprinzip, die Aufsichts- und Organisationspflicht, die Pflicht, Rechtsgutsverletzungen aus dem Unternehmen heraus zu unterbinden und mögliche Schadensersatzansprüche auf Bestehen und Durchsetzbarkeit zu überprüfen, zwingt die Leitungsebene dazu, sich im Verdachtsfall ein möglichst umfassendes Bild von der Sachlage zu machen. Nur dann kann sie Entscheidungen treffen, die der Business Judg­­ment Rule standhalten.

Ohne eigene interne Sachverhaltsklärung geht das nicht. Sich auf behördliche Untersuchungen zu verlassen, wäre ein schwerer Fehler, denn diese haben andere Ziele: Strafrechtliche Ermittlungen sind – Überraschung! – auf die Ermittlung von Straftaten gerichtet. Nicht jeder Compliance-Verstoß ist indes strafbar. „Misswirtschaft“ und „Vetternwirtschaft“ können gegen Innenrecht der Gesellschaft verstoßen, sind aber nicht zwingend Untreue oder Korruption. Das Strafverfahren kennt zudem zwar einschneidende Maßnahmen, gleichzeitig aber auch weitgehende Möglichkeiten, den Verfahrensstoff zu beschränken, von Verfolgung abzusehen oder Verfahren vor der Ausermittlung einzustellen. Und schließlich haben Unternehmen auf die Ergebnisse des Strafverfahrens nicht zwingend Zugriff – die Ermittlungsakte bekommt nicht jeder.

Wer im Verdachtsfall die Rechts- und Pflichtenposition des Unternehmens identifiziert, den Gegenstand und das Ziel der Ermittlung klar definiert und laufend den Gegebenheiten anpasst, wird mit einem Ergebnis belohnt, mit dem sich klar und konsequent ­weiterarbeiten lässt – rechtskonform und mit hohem Zukunftsnutzen.

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Dr. André-M. Szesny, LL.M., ist Rechtsanwalt in Düsseldorf.