Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl
Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 20/2023 vom 06.10.2023
Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Vergütungs- und Kostenrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Vergütungs- und Kostenrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis des Vergütungs- und Kostenrechts. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de
Sachverhalt
Ein Anwalt beantragte, dass er selbst und sein Mandant, der Kläger, an der Gerichtsverhandlung nach § 91a FGO per Videokonferenz teilnehmen dürfen und sie von der Kanzlei aus zugeschaltet werden. Er begründete dies mit der Entfernung zum Gerichtsort. Der Antrag hatte keinen Erfolg.
Entscheidung: Kläger und Dolmetscher sollten bei der mündlichen Verhandlung am gleichen Ort sein
Das FG hat den Antrag abgelehnt. Ihm lägen umfangreiche Akten vor. Der Sachverhalt sei zwischen den Beteiligten streitig. Eine persönliche Anwesenheit des Klägers im Sitzungssaal erleichtere die Vorlage von Unterlagen, zu denen das Gericht ihn befragen will. Außerdem sei für den Senat die Gewinnung eines persönlichen Eindrucks des Klägers und der anderen Beteiligten bei der Sachverhaltsermittlung von großer Bedeutung und damit die Unmittelbarkeit der Teilnahme im Sitzungssaal erforderlich.
Ferner habe der Prozessbevollmächtigte mitgeteilt, dass der Kläger nicht hinreichend der deutschen Sprache mächtig sei. Gemäß § 52 Abs. 1 FGO i. V. m. § 185 ff GVG sei ein Dolmetscher hinzuzuziehen. Der Kläger sollte sich laut FG Nürnberg bei der mündlichen Verhandlung am gleichen Ort wie der Dolmetscher befinden, um die Übersetzung zu erleichtern.
Praxishinweis
Die antragsgebundene Entscheidung steht im Ermessen des Gerichts (des Senats bzw. des Einzelrichters). Bei der Ermessensausübung ist zu berücksichtigen, ob in Betracht kommt, dass Schriftstücke (etwa Verträge, Belege) im Rahmen der Verhandlung überreicht oder in Augenschein genommen werden sollen und ob dafür bei einer Videokonferenz die technischen Voraussetzungen vorhanden sind.
Auch die Bedeutung des persönlichen Eindrucks von dem Verfahrensbeteiligten für die Hauptsacheentscheidung (zum Beispiel im Fall ergänzender Ausführungen) ist relevant. Ferner spielen allgemeine Gesichtspunkte (Verfahrensbeschleunigung, Einsparungen durch Vermeidung von Reisekosten, Erleichterung der Teilnahme aus Alters- oder Gesundheitsgründen, Datensicherheit, Stabilität des Systems, Gefahr der Herstellung illegaler Kopien) eine Rolle (siehe hierzu Herbert in Gräber, FGO, 9. Aufl. 2019, FGO § 91 a Rn. 5).
FG Nürnberg, Beschluss vom 12.06.2023 - 3 K 525/22, BeckRS 2023, 24679