Urteilsanalyse
Notwendige Feststellungen bei Fahrverbotsanordnung wegen beharrlichen Pflichtenverstoßes
Urteilsanalyse
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Für die Verhängung eines Fahrverbots wegen eines beharrlichen Verstoßes gegen die Pflichten eines Kfz-Führers ist nach einem Beschluss des BayObLG eine hinreichend aussagekräftige Darstellung der Vorahndungslage unerlässlich.

10. Feb 2023

Anmerkung von Rechtsanwältin Dr. Ruth Anthea Kienzerle, Ignor & Partner GbR, Berlin

Aus beck-fachdienst Strafrecht 03/2023 vom 09.02.2023

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Sachverhalt

Das AG verurteilte B wegen verbotswidrigen Benutzens eines Mobiltelefons als Führer eines Kfz zu einer Geldbuße von 200 EUR und verhängte ein einmonatiges Fahrverbot. Hiergegen wendet sich B mit der Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Entscheidung

Der Senat hob das Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen auf, verwies die Sache im Umfang der Aufhebung zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das AG zurück und verwarf die weitergehende Rechtsbeschwerde als unbegründet.

Aufgrund der lückenhaften Feststellungen zu den für die Rechtsfolgenentscheidung bestimmenden Vorahndungen könne der Senat nicht überprüfen, ob sie rechtsfehlerfrei getroffen seien. Für die Verhängung eines Fahrverbots wegen beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines Regelfalls sei eine aussagekräftige Darstellung der Vorahndungslage unerlässlich. Ein tatrichterliches Urteil genüge i.d.R. nur dann den Erfordernissen an eine rechtsfehlerfreie Darstellung, wenn die Vorahndungen nach Art des Verkehrsverstoßes, Tatzeit, Rechtsfolgen, Entscheidungsdaten und Zeitpunkten des Rechtskrafteintritts im Einzelnen wiedergeben seien, soweit die Vorahndungen noch verwertbar seien. Dem würden die Urteilsgründe nicht gerecht. Die Vorahndungen seien nicht dargestellt. Das Urteil beschränke sich auf den nicht nachvollziehbaren Vermerk „FAER einfügen“. Bei der Rechtsfolgenbemessung werde auf das angeblich wiedergegebene „FAER“ verwiesen. Ansonsten seien nur pauschal wenige Vorahndungen erwähnt; i.Ü. nehme das Urteil auf eine „Vielzahl von Vorahndungen“ Bezug, ohne sie im Einzelnen darzulegen. Ferner seien zur Rechtsfolgenbemessung angestellte Erwägungen rechtsfehlerhaft. Soweit das AG bei der Verhängung des Fahrverbots berücksichtigt habe, dass B die Tat nicht eingeräumt habe, sei dies rechtsfehlerhaft, weil einen Betroffenen keine Verpflichtung treffe, an seiner Überführung mitzuwirken und ihm deshalb zulässiges Verteidigungsverhalten selbstverständlich nicht angelastet werden dürfe. Überdies sei die Erwägung, wonach die „uneinsichtige Haltung“ des B für die Bußgeldbemessung von Bedeutung gewesen sei, rechtsfehlerhaft, weil einem den Vorwurf bestreitenden Betroffenen das Fehlen der Einsicht bei der Bemessung der Bußgeldhöhe nicht angelastet werden dürfe.

Praxishinweis

Das Fahrverbot nach § 25 StVG unterliegt letztlich strengeren Voraussetzungen als jenes nach § 44 StGB, da die Ordnungswidrigkeit einen geringeren Unrechtsgehalt aufweist (König, in: Hentschel/König/Dauer, 46. Aufl. 2021, StVG § 25 Rn. 14). Ein Fahrverbot nach § 25 StVG ist deshalb nur wegen grober oder beharrlicher Pflichtenverletzung zulässig. Letztere liegt vor, wenn ein Fahrzeugführer die Verkehrsvorschriften aus mangelnder Rechtstreue verletzt (s. BGHSt 38, 231). Wie das BayObLG im Einklang mit der st. Rspr. ausführt, muss insoweit der Zeitablauf zwischen dem Eintritt der Rechtskraft der Vorahndungen und zwischen den jeweiligen Tatzeiten (Rückfallgeschwindigkeit) berücksichtigt werden. Daneben sind Anzahl, Tatschwere und Rechtsfolgen früherer und noch verwertbarer Verkehrsverstöße im Einzelfall zu gewichten. Beharrliche Pflichtenverstöße umfassen auch Verkehrsverstöße, die für sich allein betrachtet zwar nicht zu den groben Zuwiderhandlungen zählen, durch deren wiederholte Begehung der Fahrer jedoch erkennen lässt, dass es ihm an der für die Teilnahme am Straßenverkehr erforderlichen rechtstreuen Gesinnung und der notwendigen Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlt (amtl. Begr. BT-Dr V/1319, S. 90). Der letztgenannte Umstand darf freilich nicht dazu führen, dass der nemo-tenetur-Grundsatz, das Doppelwertungsverbot und das Recht auf Verteidigung – die selbstredend auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren gelten – vorenthalten werden und prozessual zulässiges Bestreiten des Tatvorwurfs zum Nachteil des Betroffenen gewertet wird.

BayObLG, Beschluss vom 13.12.2022 - 202 ObOWi 1458/22 (AG Rosenheim), BeckRS 2022, 41459