Urteilsanalyse
Notwendige Bezeichnung des Rechtsmittelführers bei Streitgenossen
Urteilsanalyse
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Sind mehrere Streitgenossen erstinstanzlich unterlegen und legt ihr Anwalt Berufung ein, ohne innerhalb der Berufungsfrist anzugeben, wer Rechtsmittelkläger ist, kann nach einem Beschluss des BGH vom 12.11.2020 die erforderliche Klarheit über die Person des Rechtsmittelführers nicht allein aus dem beigefügten erstinstanzlichen Urteil gewonnen werden.

12. Mrz 2021

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Berufsrecht 05/2021 vom 11.03.2021

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Sachverhalt

Die Parteien stritten mit Klage, Widerklage und Drittwiderklage um die Freigabe hinterlegter Beträge aus Grundstücksgeschäften. Die Klägerin und der Drittwiderbeklagte wurden von demselben Prozessbevollmächtigten vertreten. Das LG wies die Klage ab und gab der Widerklage und Drittwiderklage im Wesentlichen statt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und des Drittwiderbeklagten legte Berufung ein. Im Rubrum des Schriftsatzes fand sich die Bezeichnung «In dem Rechtsstreit S., D. u.a. ./. S., B.». Dem Schriftsatz war das angefochtene Urteil beigefügt. Das OLG wies darauf hin, dass die Berufung mangels Bezeichnung der Berufungskläger unzulässig sei. Der Prozessbevollmächtigte erklärte hierauf, die Berufung sei sowohl für die Klägerin als auch für den Drittwiderbeklagten eingelegt worden. Das OLG verwarf die Berufung als unzulässig, da die Bezeichnung nicht innerhalb der Berufungsfrist erfolgt sei. Dagegen legte die Klägerin Rechtsbeschwerde ein.

Entscheidung: Unklarheit über Rechtsmittelführer – Rechtsmittel gilt nicht im Zweifel als für alle unterlegenen Streitgenossen eingelegt

Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehöre zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift gemäß § 519 Abs. 2 ZPO die Angabe, für und gegen welche Partei das Rechtsmittel eingelegt werde. Die Rechtsmittelschrift müsse entweder für sich allein betrachtet oder mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig erkennen lassen, wer Rechtsmittelführer und wer Rechtsmittelgegner sein solle. Bei verständiger Würdigung müsse jeder Zweifel an der Person des Rechtsmittelklägers ausgeschlossen sein. Unabdingbar sei, dass alle Streitgenossen genannt werden, die Rechtsmittelführer sein sollen. Sei unklar, für welche Streitgenossen Berufung eingelegt werden soll, sei das Rechtsmittel insgesamt unzulässig.

Hier enthalte die Berufungsschrift keine Angabe, für wen Berufung eingelegt werde. Zwar sei die Klägerin im Rubrum des Schriftsatzes genannt und durch den Zusatz «u. a.» sei auch der Drittwiderbeklagte in Bezug genommen. Das Berufungsgericht nehme aber zutreffend an, dass damit lediglich der Rechtsstreit bezeichnet wird, in dem die Berufung eingelegt werden solle («Kurzrubrum»). Ob die Berufung nur für die Klägerin oder nur für den Drittwiderbeklagten eingelegt werde oder ob beide Streitgenossen Berufungsführer seien, ergebe sich daraus nicht. Zu Recht sehe das Berufungsgericht auch mit der Wendung «legen wir Berufung ein» nicht die Klägerin und den Drittwiderbeklagte gemeint. Diese beziehe sich vielmehr erkennbar auf die Anwälte der Kanzlei.

Seien mehrere Streitgenossen unterlegen und lege ihr Anwalt Berufung ein, ohne innerhalb der Berufungsfrist anzugeben, wer Rechtsmittelkläger sei, könne die erforderliche Klarheit über die Person des Rechtsmittelführers auch nicht alleine aus dem beigefügten erstinstanzlichen Urteil gewonnen werden. Zwar lasse sich dem erstinstanzlichen Urteil entnehmen, welcher der Streitgenossen beschwert sei und damit als Berufungsführer in Betracht komme. Daraus folge aber nicht, dass die Berufung für alle Streitgenossen eingelegt werden soll. Es existiere keine Auslegungsregel, dass ein Rechtsmittel im Zweifel für alle unterlegenen Streitgenossen eingelegt wird. Dies gelte auch dann, wenn der die Berufungsschrift unterzeichnende Rechtsanwalt alle Streitgenossen in der Vorinstanz vertreten hat.

Praxishinweis

Zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift gehört die Erklärung, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt wird. Aus der Berufungsschrift muss entweder für sich allein oder mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig zu erkennen sein, wer Berufungskläger und wer Berufungsbeklagter sein soll, ohne dass es der Angabe ladungsfähiger Anschriften oder der Prozessbevollmächtigten bedarf (Wulf in BeckOK ZPO, ZPO § 519 Rn. 14). Notwendig ist die Angabe aller Streitgenossen, die Rechtsmittelführer sein sollen. Ist nur einer als Berufungskläger genannt und der Berufungswille der anderen nicht erkennbar, liegt nur eine Berufung des genannten Berufungsklägers vor. Ist unklar, ob die Berufung nur für einen, mehrere oder alle Streitgenossen eingelegt wurde, ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig (Rimmelspacher in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, ZPO § 520 Rn. 13).

BGH, Beschluss vom 12.11.2020 - V ZB 32/20, rechtskräftig (OLG München), BeckRS 2020, 42302