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Plädoyer für ein modernes Unterhaltsrecht
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Mit einem Ende August 2023 vorgelegten Eckpunktepapier geht das Bundesjustizministerium die im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellte Reform des Unterhaltsrechts an – zunächst noch keine ins Einzelne gehende Gesetzesvorlage, vielmehr ein Diskussionspapier mit konkreten Vorschlägen zur Modernisierung des Unterhaltsrechts.

9. Jan 2024

Vier Regelungsbereiche stehen im Visier des Ministeriums: der Einfluss substanzieller Mitbetreuung des nicht hauptsächlich betreuenden Elternteils auf den Barunterhalt, die Angleichung des Betreuungsunterhalts des nichtverheirateten, betreuenden Elternteils an die für Eheleute geltenden Vorschriften, die gesetzliche Verankerung des notwendigen Selbstbehalts sowie eine verfahrenstechnische Vereinfachung, wie der Kindesunterhalt im Wechselmodell geltend gemacht kann.

Das Eckpunktepapier kommt dem Bedürfnis vieler Eltern entgegen, auch im Fall der Trennung und nach einer Scheidung gemeinsame Elternverantwortung wahrzunehmen – eine Entwicklung, der das Unterhaltsrecht bisher nicht ausreichend Rechnung getragen hat. Das Ministerium stellt der Praxis ein konkretes Berechnungsmodell vor, wie sich der nach der Düsseldorfer Tabelle ermittelte Kindesunterhalt reduziert, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil einen höheren Betreuungsbeitrag leistet als es dem Residenzmodell "eine(r) betreut, eine(r) bezahlt" entspricht. Unter dem sperrigen Label "asymmetrisches Wechselmodell" – nur dafür sehen die Eckpunkte eine Regelung vor – wird der konkrete, zwischen 30 und 49 % liegende Betreuungsanteil an Übernachtungen des Kindes beim anderen ­Elternteil festgemacht. Schon regt sich Kritik (Maaß NZFam 2023, 913) an dieser monokausalen Sichtweise: Es komme nicht nur auf die Anzahl der Übernachtungen an, vielmehr müsse auch die qualifizierte Verantwortungsübernahme (Wahrnehmung schulischer und außerschulische Termine, Behördengänge, Arzttermine) in angemessener Weise berücksichtigt werden. Aber gegen solche Einwände ist der ministerielle Vorschlag immun: Die Ermittlung des konkreten Betreuungsbeitrags kann an Übernachtungen festgemacht werden –muss es aber nicht, wenn sich die Eltern auf andere Berechnungsparameter verständigen.

Kernstück des Reformvorhabens ist ein aus sechs Schritten bestehender Rechenweg, wie ein reduzierter Kindesunterhalt anhand des konkreten, zuvor nach Nächten berechneten Betreuungsanteils ermittelt werden kann. Ausgehend von einem aus beiden Eltern­einkommen berechneten Tabellenregelbedarf wird ein fester pauschaler Betrag von 15% abgezogen, der den Aufwand des mitbetreuenden Elternteils abdeckt; sodann wird der Haftungsanteil nach den Leitlinien der OLG mit einem festen Betreuungsanteil von 0,67 gemittelt: klingt kompliziert, ist es aber nicht. Die Ermittlung des konkreten Unterhaltsbetrags erfasst die Betreuungsleistung des nicht hauptbetreuenden Elternteils unabhängig vom tatsächlich erbrachten Betreuungsanteil. Der unbestreitbare Vorteil für den ­Praktiker: wird damit doch das nervige Gezänk über das Wieviel des Umgangs mit dem Kind ein Ende haben.

Vorschläge gehen in die richtige Richtung

Dem wird entgegengehalten, die Formel sei für den Laien zu kompliziert (Witt FF 2023, 432). Dieser Vorwurf ist nicht berechtigt. Zwar trägt die Rechtsprechung das Mantra vor sich her, Unterhaltsrecht sei ein Massengeschäft, will heißen, es müsse auch für Laien transparent sein. Aber wann hat die Rechtsprechung je einen Beitrag für ein verbraucherfreundliches Rechenmodell geliefert? Die komplizierte Berechnung des ­Unterhalts im Wechselmodell und – neuerdings – der Naturalunterhalt als Barunterhalt begünstigen nicht gerade die Planbarkeit konkreter Unterhaltsbeträge; von einer Unterhaltsberechnung "auf dem Bierdeckel" sind wir weit entfernt. Ein weiteres Anliegen des Eckpunktepapiers ist die Angleichung des Unterhaltsanspruchs des betreuenden nichtverheirateten Elternteils an den des verheirateten Elternteils. Auch der nicht verheiratete Elternteil soll Vereinbarungen über den treuen ­Betreuungsunterhalt abschließen können, was bisher nicht möglich ist, die Verwirkungsregelungen müssen angepasst werden; zudem muss die Vererbbarkeit von Unterhaltsansprüchen gleich geregelt sein. Und schließlich muss sich nach dem Vorschlag des Ministeriums die Höhe des Unterhalts nach dem gemeinsamen Partnereinkommen richten. Schließlich soll der Selbstbehalt gesetzlich geregelt und die Geltendmachung des Kindesunterhalts im Wechselmodell vereinfacht werden.

Das Eckpunktepapier ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Hoffen wir, dass weitere folgen und dem Gesetzgeber genügend Zeit bleibt, das ­Reformvorhaben umzusetzen.

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Rolf Schlünder ist u.a. Fachanwalt für Familienrecht in Mannheim.