Kolumne

Bun­des­rats­in­itia­ti­ve Or­gan­spen­de
Kolumne

Nichts un­ter­gräbt das Ver­trau­en in den Rechts­staat mehr als ehr­wür­di­ge Ver­fas­sungs­or­ga­ne, die of­fen­sicht­li­chen Unfug be­trei­ben. So lässt die­ser Tage die Län­der­initia­ti­ve für eine Wi­der­spruchs­lö­sung bei der Or­gan­spen­de auf­hor­chen, mit wel­cher der Bun­des­rat ein end­lich be­frie­det ge­glaub­tes Thema neu auf­greift. 

22. Jan 2024

Rück­blick: Nach jah­re­lan­ger, breit ge­führ­ter Dis­kus­si­on hatte der Bun­des­tag im Ja­nu­ar 2020 einen ent­spre­chen­den Ge­setz­ent­wurf be­reits ab­ge­lehnt. Ein­ge­bracht hat­ten ihn – neben wei­te­ren Ab­ge­ord­ne­ten – der da­ma­li­ge Ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) sowie Karl Lau­ter­bach (SPD). Die Re­ge­lung, wo­nach künf­tig jeder Mensch Or­gan­spen­der sein soll­te, der nicht zu Leb­zei­ten aktiv wi­der­spro­chen hatte, er­hielt nicht die er­for­der­li­che Mehr­heit. Das Er­geb­nis von 292 Ja- zu 379 Nein-Stim­men war be­son­ders aus­sa­ge­kräf­tig, da es sich um eine frak­ti­ons­of­fe­ne Ab­stim­mung han­del­te. Mit brei­ter Mehr­heit an­ge­nom­men wurde statt­des­sen der "Ent­wurf eines Ge­set­zes zur Stär­kung der Ent­schei­dungs­be­reit­schaft bei der Or­gan­spen­de", ein­ge­bracht von einer Ab­ge­ord­ne­ten­grup­pe um An­na­le­na Baer­bock (Grüne) und Karin Maag (CDU/CSU). Der Ent­wurf be­hielt das Grund­prin­zip bei, dass eine Or­gan­ent­nah­me ohne zu Leb­zei­ten ab­ge­ge­be­ne Zu­stim­mung (oder stell­ver­tre­tend die der An­ge­hö­ri­gen) nicht zu­läs­sig ist. Neu ge­re­gelt und ver­bes­sert wurde aber die Sys­te­ma­tik der Er­fas­sung po­ten­zi­el­ler Or­gan­spen­der. Hier­zu sieht das Ge­setz unter an­de­rem in § 2a TPG den Auf­bau eines On­line-Re­gis­ters zur Ein­tra­gung der per­sön­li­chen Spen­den­be­reit­schaft vor.

Ein­ge­rich­tet und ge­führt wer­den soll das Por­tal laut Ge­setz durch das Bun­des­in­sti­tut für Arz­nei­mit­tel und Me­di­zin­pro­duk­te, eine dem Ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um un­ter­stell­te Bun­des­ober­be­hör­de mit 1.350 Be­diens­te­ten. Wer heute, fast vier Jahre spä­ter, nach dem Re­gis­ter sucht, er­lebt eine Über­ra­schung: "Ihre Ent­schei­dung zur Organ- und Ge­we­be­spen­de – si­cher und on­line", ver­kün­det die Be­hör­de auf ihrer Web­sei­te mit voll­mun­di­ger Über­schrift. So­dann klärt sie den Nut­zer dar­über auf, dass sich das Re­gis­ter im Auf­bau be­fin­de. "Recht­zei­ti­ge" In­for­ma­tio­nen über den Zeit­punkt der Frei­schal­tung wür­den fol­gen. Bis dahin möge man einen Or­gan­spen­de­aus­weis nut­zen. Diese Aus­kunft hat sich seit dem 15.8.​2022 nicht ver­än­dert, wie ein Blick in die Web-Ar­chi­ve zeigt. Ob das Ge­setz von 2020 die frei­wil­li­ge Be­reit­schaft zur Or­gan­spen­de er­höht, ist damit un­klar, denn es wurde bis heute ein­fach nicht um­ge­setzt. Statt­des­sen prescht der Bun­des­rat vor, um doch noch eine Wi­der­spruchs­lö­sung durch­zu­drü­cken. Man fragt sich: Wie lange würde wohl erst der Auf­bau eines Por­tals zur rechts­si­che­ren Hin­ter­le­gung von Wi­der­sprü­chen dau­ern? In ihrer Ge­samt­heit hin­ter­lässt diese Vor­ge­hens­wei­se einen du­bio­sen Ein­druck, der die Au­to­ri­tät der staat­li­chen In­sti­tu­tio­nen un­ter­gräbt. Wenn ein mit gro­ßer Sorg­falt er­ar­bei­te­tes, in frei­er Ab­stim­mung vom Bun­des­tag be­schlos­se­nes Ge­setz noch vor sei­ner Um­set­zung durch eine Bun­des­rats­in­itia­ti­ve wie­der in­fra­ge ge­stellt wird, dann ist es an der Zeit, end­lich ein­mal in­ne­zu­hal­ten.

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Dr. h.c. Gerhard Strate ist Rechtsanwalt in Hamburg und einer der renommierten Strafverteidiger des Landes.