Kolumne
Kein Förmchenstechen!
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Der Beschäftigtendatenschutz und der Wille, ihn gesetzlich präziser auszugestalten, sind ein Dauerbrenner. Anläufe hierzu gab es bereits 2010, mehrere Koalitionsverträge haben danach Prüfaufträge formuliert, und auch die aktuelle (Noch-)Koalition hatte sich darauf geeinigt, sich des Themas anzunehmen. Gut so. Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen hört man, dass nun ein Entwurf vorliegt und dass der noch vor Weihnachten in die Ressortabstimmung gehen soll.

11. Dez 2023

Neue Gesetze sind kein Selbstzweck. Aber § 26 BDSG reicht nicht mehr. Das schon deshalb, weil der EuGH auf Initiative einer sehr vorlagefreudigen Kammer des VG Wiesbaden die Parallelregelung für den hessischen öffentlichen Dienst als nicht von der Öffnungsklausel der DS-GVO gedeckt und damit als europarechtswidrig wertete (NJW 2023, 1639). Salopp gesagt: Art. 88 DS-GVO erlaubt für die Datenverarbeitung im Kontext des Beschäftigungsverhältnisses nur speziellere nationale Regelungen. Aber eine Norm, die schlicht die Abwägung des Art. 6 DS-GVO wiederholt, ist eben nicht spezieller, sondern überflüssig. Das BAG hat jüngst diesen Ball aufgenommen und entschieden, dass diese Unwirksamkeit zwar für bestimmte Teile des § 26 I BDSG angenommen werden könne, nicht aber für die Norm insgesamt. Soweit diese vorsieht, dass personenbezogene Daten von Beschäftigten verarbeitet werden dürfen, wenn es zur Erfüllung eines sich aus dem Gesetz ergebenden Rechts der Interessenvertretung der Beschäftigten erforderlich ist, stellt sie eine Rechtsgrundlage iSv Art. 6 III iVm I Unterabs. 1 Buchst. c DS-GVO dar. Der Umstand, dass § 26 I 1 BDSG den Vorgaben der Öffnungsklausel in Art. 88 DS-GVO nicht genügt, sei insoweit unerheblich (BAG NZA 2023, 1404). Das ist richtig und scharf gedacht – führt aber offensichtlich zu unbefriedigenden Ergebnissen: Der eine Halbsatz ist unanwendbar, der andere schon. Die Gerichte müssten künftig wie mit Förmchen die unwirksamen Teile ausstechen, und es würde ein Mischsystem des Beschäftigtendatenschutzes entstehen zwischen unmittelbar anwendbarem Europarecht und nationalem Datenschutzrecht. Das kann niemand wollen.

Der Gesetzgeber tut also gut daran, diesen bröckelnden Status quo als Chance zur Neuordnung zu begreifen. Er ist klug beraten, wenn er dabei „wasserstandsneutral“ vorgeht: Nicht mehr Datenschutz, nicht weniger, sondern besserer. Die vor einigen Monaten veröffentlichten Eckpunkte blinkten da in eine andere Richtung. Strittige Fragen wie die Reichweite einer Einwilligung (die freiwillig eben auch im Arbeitsverhältnis möglich sein muss), der Legitimation durch Betriebsvereinbarung (die privilegiert sein muss), der Rechtsfolgen einer rechtswidrigen Datenverarbeitung für den Kündigungsschutzprozess oder auch der verdeckten Videoüberwachung als legitime ultima ratio könnten dann einer sicheren Regelung zugeführt werden. Beschäftigte und Arbeitgeber hätten Rechtssicherheit – und das dient beiden.

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Prof. Dr. Gregor Thüsing, LL.M., ist Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn.