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Grenzen arbeitsrechtlicher Bewertungssysteme
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Der deutsche Softwarekonzern SAP hat kürzlich verkündet, seine Beschäftigten zukünftig anhand der Einschätzung des jeweiligen Vorgesetzten in drei Leistungskategorien einteilen zu wollen. Arbeitnehmer, die "schlecht" performen, sollen auf diese Weise identifiziert und durch spezielle Trainings gefördert werden. Die Einführung solcher Bewertungssysteme ist arbeitsrechtlich nicht unproblematisch: Neben der Zulässigkeit an sich sowie etwaiger Konsequenzen für "Low-Performer" stellt sich unter anderem die Frage einer betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung.

29. Jan 2024

US-Konzerne haben solche Bewertungssysteme längst in ihre Unternehmenskultur integriert. Auch in Deutschland rücken diese für Arbeitgeber zunehmend in den Fokus. Und das trotz der allgemeinen Kritik, dass ein erhöhter, gegebenenfalls nicht zielführender Druck auf die Arbeitnehmer ausgeübt werde.

Grenzen der Bewertung

Das BAG hat bereits im Jahr 1979 entschieden, dass Arbeitgeber die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung ihrer Arbeitnehmer beurteilen und entsprechende Informationen in die Personalakten aufnehmen dürfen (AP BPersVG § 75 Nr. 3). Die inhaltliche Ausgestaltung solcher Bewertungssysteme wird dabei von der Rechtsprechung nicht konkretisiert, sondern liegt grundsätzlich im Ermessen des Arbeitgebers. Vorgaben existieren lediglich dahingehend, dass die Beurteilung ein möglichst objektives und vollständiges Bild der Leistung des jeweiligen Arbeitnehmers wiedergeben müsse. Das heißt, sie müssen auf wahrheitsgemäßen Sachverhalten, der Betrachtung eines längeren Zeitraums (nicht lediglich einer Momentaufnahme), sowie auf gleichen Maßstäben für alle Arbeitnehmer auf einer Ebene beruhen. Im Hinblick auf die Zulässigkeit eines konkreten Bewertungssystems können Arbeitsgerichte daher lediglich überprüfen, ob die vorgenannten allgemeinen Beurteilungsmaßstäbe sowie etwaige spezialgesetzliche Regelungen beachtet wurden. Kann das Bewertungssystem und folglich auch die Bewertung eines einzelnen Arbeitnehmers einer solchen Kontrolle nicht standhalten, hat der Beschäftigte einen Anspruch auf Entfernung der Beurteilung. Konsequenterweise können Arbeitgeber auf Basis einer solchen Bewertung dann auch keine anderweitigen Maßnahmen bzw. Sanktionen vornehmen.

Mitbestimmung des Betriebsrats

Die arbeitgeberseitige Gestaltungsfreiheit von Bewertungssystemen wird jedoch durch betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften eingeschränkt. So unterliegen sowohl deren Einführung als auch die Ausgestaltung der Mitbestimmung des Betriebsrats gem. § 94 II BetrVG. Das Mitbestimmungsrecht umfasst nicht nur die Frage, ob ein Bewertungssystem eingeführt werden darf; dem Betriebsrat kommt vielmehr ein volles Mitbestimmungsrecht dahingehend zu, welche Merkmale eines Arbeitnehmers in Bezug auf seine Eigenschaften, seine Leistung sowie sein Verhalten überhaupt bewertet werden können. Darüber hinaus bezieht sich das Mitbestimmungsrecht auch auf die Kriterien, anhand derer die Beurteilung erfolgen soll, durch welches Bewertungsverfahren konkret und schließlich welche Personen in den Bewertungsprozess einbezogen werden dürfen. Soweit die Beurteilung mithilfe einer betrieblichen technischen Einrichtung erfolgen soll, ist zudem das betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsrecht des § 87 I Nr. 6 BetrVG zu beachten. Gerade beim Einsatz Künstlicher Intelligenz ist an diese Mitspracherechte zu denken.

Konsequenzen für "Low-Performer"

Soweit der Bewertungsprozess ergibt, dass eine Fortbildung oder Schulung geboten oder zumindest förderlich wäre, kann der Arbeitgeber diese im Rahmen seines Direktionsrechts gem. § 106 GewO grundsätzlich einseitig anordnen. Insofern dürfte es unproblematisch sein, Beschäftigten verpflichtende Schulungen aufzuerlegen, sofern diese während der Arbeitszeit zu absolvieren sind. Auch wenn die Anordnung von Fortbildungen für "Low-Performer" nicht gegen gesetzliche Diskriminierungsverbote verstößt, wird es in diesem Zusammenhang zumindest ratsam sein, den Kreis der Schulungsteilnehmer, sofern möglich, diskret zu behandeln. Im Übrigen hat die Einstufung eines Arbeitnehmers anhand des Bewertungssystems als "Low-Performer" zunächst keine kündigungsrechtliche Relevanz. Für die Kündigung von "Low-Performern" gelten somit weiterhin die strengen Maßstäbe der ständigen Rechtsprechung.

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Claudia Posluschny ist Partnerin, Christina Wiesel ist Associate bei Norton Rose Fulbright in München.