Diese Schweizer, möchte man an dieser Stelle ausrufen. Mit Alphörnern zur Jagd auf ausländische Temposünder blasen, auf dass der Stutz im Kantonssäckli klingelt, um anschließend einen Ausflug über die Grenze zu unternehmen, weil es sich allen voran auf deutschen Straßen so gut heizen lässt. Zumindest ist dort dieses Vergnügen deutlich günstiger als in der Schweiz, was nicht nur am schwachen Euro liegt. Trotzdem, liebe Schweizer, Liechtensteiner, Niederländer und alle sonstigen Anhänger von an drakonische Strafen gekoppelten Tempolimits: Fühlt Euch nicht zu sicher auf unseren Straßen; auch wir ziehen schon mal einen soliden Boliden aus dem Verkehr, wenn dessen Fahrer es ebenda zu bunt getrieben hat (OVG Koblenz, Beschl. v. 29.8.2023 – 7 B 10593/23.OVG ua).
Hauptprotagonist war mal kein Fahrzeug mit Emblem in den bayerischen Landesfarben auf der tiefergelegten Motorhaube, sondern ein Porsche Macan. Dieser Wagen war auf eine Deutsche zugelassen, wurde allerdings wohl ausschließlich von ihrem 81-jährigen Ehemann gefahren, der in der Schweiz lebt und eine Vorliebe für einen ebenso sportlichen wie hochrisikanten Fahrstil hegt. Am 11.4.2023 wurde unser betagter Caracciola auf einer Bundesstraße von einer entgegenkommenden Funkstreife bei einem beeindruckenden Überholmanöver beobachtet. Dazu stellen Sie sich bitte eine aus fünf Fahrzeugen bestehende Kolonne vor, an deren Ende der schwarze Macan erst lauert, dann zum Überholvorgang ansetzt. Zeitgleich nähert sich auf der Gegenfahrbahn die Streife. Der Macan schert daraufhin nicht wieder ein, sondern haut nochmal richtig aufs Gas, was die Maschine mit einem Fauchen quittiert, das an einen schlecht gelaunten Löwen mit Bauchweh erinnert. Das Gefährt schießt nach vorne, Wagen vier und drei der Kolonne fliegen vorbei, auch den anschließenden Kastenwagen lässt er locker rechts liegen; dann wird’s sehr, sehr eng. Doch bevor es zum Äußersten kommt, schert der Macan äußerst knapp vor dem ersten Kolonnenfahrzeug ein und setzt seine Fahrt unbekümmert fort. Der Streifenwagen heftet sich an dessen Breitreifen, bremst ihn schließlich aus und zieht den Flitzer aus dem Verkehr. Hiergegen wehrt sich dessen Halterin per Eilrechtsschutz: Die Sicherstellung des Fahrzeugs (nicht des Gatten) sei offensichtlich rechtswidrig, weil zu keinem Zeitpunkt des streitgegenständlichen Überholvorgangs eine gegenwärtige Gefahr bestanden habe – möglicherweise war sie an ganz andere Fahrweisen des Gatten gewöhnt. Doch VG und OVG winkten angesichts der im Raum stehenden gravierenden Verkehrsverstöße ab. Denn dass es an besagtem 11.4. nicht zu einem schweren Unfall gekommen sei, sei weniger dem fahrerischen Können des Gatten der Antragstellerin zu verdanken, sondern diversen Vollbremsungen, zu denen der die übrigen Beteiligten veranlasst vulgo genötigt hatte.
Epilog: Die Verfasserin dieser Zeilen schätzt das entspannte Reisen auf Schweizer Autobahnen und weiß, dass sie nichts zu befürchten hat, wenn eidgenössische Verkehrsteilnehmer sie erst anblinken und dann mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit an ihr und ihrem Pkw mit dem Emblem in den bayerischen Landesfarben auf der nicht tiefergelegten Motorhaube vorbeiziehen (die Entscheidung ist im Volltext abrufbar unter BeckRS 2023, 24726).
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