Glosse
Nicht mein Tag
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Wollten Sie sich schon immer als Desperado fühlen? Ihr Bild auf Fahndungsplakaten neben den Größen des organisierten Verbrechens sehen und das wilde Leben leben? Die Polizei in Niedersachsen macht auch das möglich. Wie der Fall weiterging, erfahren Sie in unserer aktuellen Glosse.

2. Okt 2020

Das dachte sich wohl ein Mann aus dem Raum Osnabrück, als er eines Morgens die Zeitung aufschlug und dort sein Foto erblickte. Für sich genommen ist das erst mal kein Grund sich aufzuregen. Schließlich gibt es völlig harmlose Gründe für eine solche Publikation. Vielleicht hat man mit dem alles entscheidenden Tor einen Bundesliga-Erstligisten in der ersten Pokalrunde vom Platz gehauen, wie etwa im August 2016 die Sportfreunde Lotte den vermeintlich übermächtigen Konkurrenten aus Bremen. Oder man hat Niedersachsens attraktivste Kuh oder größten Kürbis gezüchtet. Im konkreten Fall war der Grund für die bebilderte Presseveröffentlichung mit ein paar Angaben zur Person des Abgebildeten allerdings keiner zur Freude. Oder wie fänden Sie es, wenn Ihr Konterfei wesentlicher Bestandteil eines öffentlichen Fahndungsaufrufs ist? Nun könnte man einwenden, dass man zumindest bei uns nicht einfach so zur Fahndung ausgeschrieben wird. Grundsätzlich ist das richtig. Aber wie bei so vielen Dingen im Leben, bei denen der Mensch seine Finger im Spiel hat, kann da auch mal was schiefgehen. Und schon wird aus dem kleinen Mann von der Straße oder aus Otto Normalverbraucher - wer immer das sein mag - ein gesuchter Schwerverbrecher, obwohl keiner von beiden jemals auf die Idee gekommen wäre, sich der RAF anzuschließen oder einen Bus zu kapern oder eine Bank zu überfallen. So war es auch in dem Fall, den der bereits eingangs erwähnte Mann vors LG Osnabrück gebracht hat. Der war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort (LG Osnabrück, Urt. v. 7.72.020 - 4 O 3406/19).

Der Kläger verlangte von seiner Hausbank unter anderem Schmerzensgeld in Höhe von 500.000 Euro. Wer nun vermutet, dieser Forderung sei eine Vermögensberatung nicht einmal mittlerer Art und Güte vorausgegangen, bei der die letzten am Markt verfügbaren Wirecard-Aktien als wahre Anlageschmankerl beworben wurden, der liegt falsch. Nein, der Kläger wurde aufgrund der Strafanzeige der Beklagten zur Fahndung ausgeschrieben. Denn just an dem Tag, als er dort was zu erledigen hatte, versuchte ein anderer Kunde, ein Konto mit gefälschten Papieren zu eröffnen. Der Fahndung nach dem Täter nahm sich irgendein A-Team der zuständigen Polizei an, das bei der kursorischen Sichtung der Aufzeichnungen der Überwachungs kameras gleich den Erstbesten als Täter identifizierte. Und der war dummerweise der Kläger. Was die Anzeigenerstatterin von der Identifizierung so halte, wurde nicht abgeklärt. Vielmehr ging die Polizei mitsamt dem falschen Täterfoto gleich an die Öffentlichkeit. Gut, so was ist unschön, lässt sich aber binnen 24 Stunden wieder korrigieren. Aber solange musste sich der Kläger mit der Rolle des "the BKA most Wanted" arrangieren. Und deshalb sei das geforderte Schmerzensgeld von 500.000 Euro eigentlich ein Freundschaftspreis. Denn wenn die Bank ihn vor Herausgabe des Bildmaterials als unverdächtigen Kunden gekennzeichnet hätte, dann wäre das Ganze nicht passiert. Sicherlich richtig, befand das LG Osnabrück. Allerdings sei die Aufklärung eines strafrechtlich relevanten Sachverhalts immer noch Sache der Polizei, so dass ein möglicher Schadensersatzanspruch auch an sie bzw. ihren Dienstherrn zu richten sei und nicht an die Bank (die Entscheidung ist im Volltext abrufbar unter BeckRS 2020, 21108).

Dr. Monika Spiekermann.