Wie umstritten die Regulierung des Rechtsdienstleistungsmarkts ist, hat die Sachverständigen-Anhörung zum „Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt“ (auch „Legal Tech-Gesetz“ genannt) im Rechtsausschuss des Bundestags am 5. Mai 2021 eindrücklich gezeigt. Es gab einen harten Schlagabtausch zwischen den „Reformern“ – mehreren Rechtsanwälten – und den „Bewahrern“ – allen voran Bundesrechtsanwaltskammer und Deutscher Anwaltverein. Die Verunsicherung in der Politik erschien groß; es war einige Zeit lang fraglich, ob es überhaupt noch zu der Reform kommen würde.
„Legal-Tech-Gesetz“ plus Fortschreibung
Die Große Koalition einigte sich am Ende auf folgende Kompromisslösung: Mit dem Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt sollen jetzt einige der dringendsten Fragen gelöst werden. In der Entschließung wird für die kommende Legislaturperiode eine weitere Anpassung angestrebt. Hierfür sollen das Verhältnis zwischen Rechtsdienstleistungsmarkt und Rechtsanwaltschaft evaluiert, die Rechtsprechung beobachtet und ggfs. daraufhin neu gedacht und systematisiert werden.
Einige Schwerpunkte dieser angekündigten Anpassungen werden bereits gesetzt, insbesondere für eine kohärentere Struktur zwischen Rechtsdienstleistern und Anwaltschaft. Hier liegt tatsächlich das größte Defizit. Bestimmte anwaltliche Berufspflichten sollen auch für Rechtsdienstleistungsunternehmen gelten; die Entschließung erwähnt insoweit beispielhaft die Verschwiegenheit.
Darüber hinaus geht es in der Entschließung um eine Bündelung der Registrierung und der Aufsicht bei einer zentralen Stelle auf Bundesebene. Dabei sei vornehmlich eine Übertragung der Zuständigkeit auf das Bundesamt für Justiz (BfJ) in Betracht zu ziehen. Die Anforderungen an die Sachkunde bei Inkassodienstleistern sollen beobachtet und ggfs. verschärft werden, um die notwendige Qualität dieser Angebote sicherzustellen.
Zudem soll die künftige Praxis beim Umgang mit Erfolgshonorar und Prozessfinanzierung geprüft werden, um ggfs. weitere Öffnungen vorzunehmen. Es sei nämlich fraglich, ob etwa die Begrenzung des Erfolgshonorars auf Forderungen bis zu 2.000 Euro angemessen sei.
Freiheit und Sicherheit
Natürlich kennt niemand heute schon die Zusammensetzung des nächsten Bundestags. Vielleicht sind diejenigen, die sich auf die künftige Reform verständigt haben, dann gar nicht mehr in politischer Verantwortung. Oder in ganz anderen Konstellationen. Und doch: Dank der Frist, die in der Entschließung auf den 30. Juni 2022 gesetzt wird, verfällt dieser Auftrag nicht der Diskontinuität und behält daher Wirkung trotz der zwischenzeitlich anstehenden Neuwahl zum Deutschen Bundestag am 26. September 2021.
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat nun die Legitimation, größer zu denken. Zöpfe abzuschneiden. Den Rechtsmarkt vom Kopf auf die Füße zu stellen. Der Anwaltschaft Freiheit zu schenken, auf die sie im Wettbewerb nicht länger verzichten kann. Den Rechtsdienstleistern Sicherheit zu gewähren. Und damit denen wirklich zu dienen, die rechtlichen Rat brauchen.
Rechtsdienstleistungsgesetzbuch
Wie eine größere Reform dann aussehen könnte: Mittel- und langfristig bedarf es einer umfassenden Neuordnung des Rechtsdienstleistungsrechts. Sie könnte in einem Rechtsdienstleistungsgesetzbuch (RDGB) geregelt werden. Es besteht aus einem Allgemeinen Teil mit Berufspflichten wie (soweit jeweils nötig) Unabhängigkeit, Verschwiegenheit, Interessenkollision, Umgang mit fremdem Vermögen und einem Besonderen Teil mit Regelungen zu den einzelnen Berufen, wobei deren Freiheiten auch von der Qualifikation abhängen. Berufe mit strukturell geringerer Qualifikation und mit geringerer Aufsicht haben einen höheren Grad an Beschränkung als strukturell besser qualifizierte Berufe mit strengerer Überwachung. Aktuell könnte das „Qualifikationsranking“ (aufsteigend) etwa so aussehen: Inkassodienstleister, Rentenberater, Rechtsdienstleister in einem ausländischen Recht, Rechtsanwälte. •