Urteilsanalyse
Mittelbar nach außen gerichtete Tätigkeit für Geschäftsgebühr ausreichend
Urteilsanalyse
Lorem Ipsum
© Stefan Yang / stock.adobe.com

Das Betreiben eines Geschäfts, das eine Geschäftsgebühr auflöst, setzt einen Auftrag des Mandanten voraus, der auf eine Tätigkeit des Rechtsanwalts nach außen gerichtet ist. Eine nach außen gerichtete Tätigkeit des Rechtanwalts liegt nach einem Urteil des LG Gießen bereits dann vor, wenn von ihm erarbeitete rechtliche Ausführungen Grundlage der Gespräche zwischen dem Mandanten und dem Gegner werden sollen und die Stellungnahme des Rechtsanwalts dem Gegner vorgelegt werden soll.

22. Sep 2022

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl

Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Berufsrecht 19/2022 vom 22.09.2022

Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Vergütungs- und Berufsrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Vergütungs- und Berufsrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis des Vergütungs- und Berufsrechts. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de

Sachverhalt

Nach einer Erstberatung über Trennungs- und Scheidungsfolgen beauftragte der Kläger seine Anwältin unter anderem mit der Berechnung des seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern zustehenden Unterhaltes. In einer E-Mail des Klägers an die Anwältin heißt es: «Ich möchte meiner Ehefrau Ihr Schreiben vorlegen und möchte daher eine eindeutige Formulierung zu meiner Unterhaltszahlung». Im weiteren Verlauf des Scheidungsprozesses trafen der Kläger und seine damalige Ehefrau eine notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung. Der Kläger zahlte die von der Anwältin in Rechnung gestellten Gebühren, machte später aber eine Rückforderung geltend mit der Begründung, unter anderem die abgerechnete Geschäftsgebühr sei nicht angefallen, da die Anwältin lediglich beratend tätig gewesen sei.  

Entscheidung: Nach außen gerichtete Tätigkeit durch als Gesprächsgrundlage dienende rechtliche Ausführungen

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Das Betreiben eines Geschäfts, das eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auflöse, setze einen Auftrag des Mandanten voraus, der auf eine Tätigkeit des Rechtsanwalts nach außen gerichtet sei. Fehle es an einer nach außen gerichteten Tätigkeit und solle der Rechtsanwalt ausschließlich nach innen gegenüber dem Mandanten tätig werden, liege eine Beratung im Sinn des § 34 RVG vor. Hier ergebe sich bereits aus dem Vortrag des Klägers die nach außen gerichtete Tätigkeit der Beklagten. So seien die von ihr erarbeiteten rechtlichen Ausführungen Grundlage der Gespräche zwischen dem Kläger und seiner damaligen Ehefrau gewesen. Der Kläger habe der Beklagten sogar ausdrücklich mitgeteilt, dass er die Stellungnahme der Beklagten zu den Unterhaltsverpflichtungen des Klägers seiner damaligen Ehefrau vorlegen wolle und daher eine eindeutige Aussage benötige.

Praxishinweis

Die Begründung des LG Gießen, dass die Entstehungsvoraussetzungen einer Geschäftsgebühr erfüllt sind, überzeugt nicht. Nach der Rechtsprechung des BGH kommt es darauf an, dass die Tätigkeit des Anwalts auftragsgemäß nach außen, das heißt gegenüber einem Dritten gerichtet ist. So hat der BGH beispielsweise die auftragsgemäß auf den Entwurf eines Testaments beschränkte Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Beratung einordnet und für den Entwurf zweier abgestimmter Testamente keine Geschäftsgebühr zuerkannt.

Im Rahmen seiner Entscheidungsbegründung führte er aus: «Im Streitfall war der den Klägern erteilte Auftrag ausschließt darauf gerichtet, die beiden Beklagten als Mandanten zu beraten und für sie in diesem Zusammenhang verschiedene Urkunden zu entwerfen, unter anderem jeweils ein Testament. Eine nach außen gerichtete Tätigkeit gegenüber Dritten war nicht geschuldet und wurde auch nicht erbracht. Der Umstand, dass die entworfenen Urkunden nach dem erteilten Auftrag dem jeweils anderen Lebenspartner zur Kenntnis gebracht werden, genügt wegen des von beiden Lebenspartnern erteilten Auftrags für eine nach außen gerichtete Tätigkeit der Kläger nicht. Ebenso wenig genügt hierfür die Tatsache, dass die von den Klägern entworfenen Urkunden nach ihrer Unterzeichnung durch die Beklagten früher oder später eine Rechtswirkung nach außen haben sollten; eine solche mittelbare Wirkung nach außen ist regelmäßig jeder Beratung immanent» (BGH, Urteil vom 22.02.2018 - IX ZR 115/17, NJW 2018, 1479 [9]).


LG Gießen, Urteil vom 31.03.2022 - 5 O 483/21, BeckRS 2022, 20020