Anmerkung von
JR Dr. Wolfgang Litzenburger, Notar in Mainz
Aus beck-fachdienst Erbrecht 6/2020 vom 30.06.2020
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Sachverhalt
In dem notariell beurkundeten Testament hatten sich die Erblasserin und ihr Ehemann wechselseitig zu Alleinerben und zu Erben des Letztversterbenden die Geschwister des Ehemannes eingesetzt, wobei die Schlusserbeneinsetzung für den Überlebenden als frei änderbar festgelegt wurde.
Nach dem Tod des Ehemannes 2015 setzte die Erblasserin in einem notariell beurkundeten Testament unter Bezugnahme auf den Änderungsvorbehalt in dem Ehegattentestament zu ihrem Alleinerben ihren Großcousin ein.
Die Schwägerin der Erblasserin hat nach deren Tod die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der sie und ihre beiden Brüder als Erben der Erblasserin zu gleichen Teilen ausweist. Sie hat vorgetragen, das Einzeltestament der Erblasserin sei wegen Testierunfähigkeit unwirksam, auch sei die notarielle Niederschrift von der Erblasserin nicht vollständig unterschrieben worden.
Durch Beschluss vom 06.12.2019 hat der Nachlassrichter den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1. zurückgewiesen. Dagegen richtet sich diese Beschwerde.
Entscheidung: Die Beschwerde wird zurückgewiesen, weil die Testierunfähigkeit der Erblasserin bei Errichtung des Einzeltestaments nicht festgestellt werden kann und dieses von ihr wirksam unterschrieben worden ist.
Auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere des Gutachtens unter Einbeziehung der Arztunterlagen sowie der Angaben der Beteiligten und Zeugen lässt sich in der Gesamtschau nicht mit ausreichender Gewissheit die Feststellung einer Testierunfähigkeit treffen. Verbleibende Zweifel in dieser Frage sind nicht geeignet, zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. Eine weitere Beweisaufnahme ist nicht veranlasst.
Das Testament wird auch dem Unterschriftserfordernis nach § 13 Abs. 1 S. 1 BeurkG gerecht. Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2003, 1120) wird mit der Unterschrift dokumentiert, dass sich die Beteiligten ihre Erklärungen zurechnen lassen und die Urkunde in ihrer körperlichen Form genehmigen; die Unterschrift dient damit als formelles Zeichen der Verantwortungsübernahme für Geltung und Gültigkeit des beurkundeten Rechtsgeschäfts und für die Echtheit des beurkundeten Willens der Beteiligten (Heinemann, ZNotP 2002, 223, 224).
Hier hat die Erblasserin zumindest angesetzt, ihren Familiennamen „K…“ zu schreiben, was in der Urkunde in dem „K“ und der anschließenden geschlängelten Linie seinen Niederschlag gefunden hat. Aufgrund der besonderen Umstände liegt die Annahme nahe, dass die Erblasserin damit nicht lediglich eine Paraphierung beabsichtigte, sondern eine volle Niederschrift ihres Familiennamens, was ihr indes vor dem Hintergrund ihrer Schwächung durch die schwere Erkrankung nach der glaubhaften Darstellung des Urkundsnotars nicht vollständig gelang. Eine Schreibunfähigkeit nach § 25 BeurkG lag damit noch nicht vor, weil die Erblasserin noch schreibfähig war, wenn auch mit einem Duktus, der durch ihre krankheitsbedingte Schwächung geprägt war (vgl. dagegen OLG Stuttgart NJW 2002, 145).
Zu Unrecht nimmt die Beschwerde die Entscheidung des OLG Düsseldorf FGPrax 2017, 267 für sich in Anspruch. Denn in jenem Fall hatte die Erblasserin der Initiale ihres Vornamens eine Kombination aus den ersten drei Buchstaben ihres Geburtsnamens und den letzten vier Buchstaben ihres Nachnamens hinzugefügt, also einen sie nicht kennzeichnenden Namen verwendet. So liegen die Dinge im vorliegenden Fall gerade nicht.
Gegen eine wirksame Unterschrift spricht auch nicht die zu § 2247 BGB vertretene Auffassung, wonach eine bloße Unterzeichnung mit dem Anfangsbuchstaben des Namens nicht genüge. Zum einen hat die Erblasserin sich hier nicht auf die Abkürzung des Familiennamens mit dem Anfangsbuchstaben beschränkt. Zum anderen kommt der Unterschrift bei einem eigenhändigen Testament auch eine Identifizierungsfunktion zu, während bei einer notariellen Beurkundung des letzten Willens die Identifizierung vom Notar gewährleistet wird und die Unterschrift lediglich die Verantwortungsübernahme dokumentiert.
Praxishinweis
Diese Entscheidung fügt sich nahtlos in die verbreitete Rechtsprechung zu den Anforderungen an die Unterschrift unter einem notariell beurkundeten Testament ein und verdient sowohl in der Begründung als auch im Ergebnis Zustimmung. Dennoch bietet sie Anlass zu einer Anmerkung, weil der Senat des OLG Köln am Ende seiner Begründung bezüglich der Funktion der Unterschrift zwischen einem eigenhändigen Testament und einem notariell beurkundeten Testament klar unterscheidet. In beiden Fällen hat die Unterschrift des Erblassers zwar übereinstimmend die Funktion der Verantwortungsübernahme für die getroffenen letztwilligen Verfügungen. Doch während die Unterzeichnung eines eigenhändigen Testaments im Falle einer fehlenden Selbstbenennung im Text auch Identifizierungsfunktion haben kann, scheidet diese Funktion beim notariell beurkundeten Testament aus, weil die Identifizierung und deren Feststellung in der Urkunde eine gewissenhaft zu erfüllende Amtspflicht des Notars ist. Der Senat scheint deshalb der Auffassung zu sein, dass wegen der zusätzlichen Identifizierungsfunktion strengere Anforderungen an die Unterschrift unter einem privatschriftlichen Testament gestellt werden müssten als an die unter einem notariell beurkundeten.
Im Gegensatz hierzu stellt die höchstrichterliche Rechtsprechung umgekehrt an die Unterschrift unter einem notariell beurkundeten Testament höhere Anforderungen als an die unter einem privatschriftlichen Testament. Die Unterzeichnung allein mit dem bzw. einem Vornamen lehnt der BGH bei einem notariellen Testament nämlich ab, es sei denn, dass der Beteiligte „unter diesem in der Öffentlichkeit allgemein bekannt ist“ (z.B. kirchliche Würdenträger, Angehörige des Hochadels, Künstler) oder nach ausländischem Recht überhaupt keinen Familiennamen führt (BGH NJW 2003, 1120; ähnlich OLG Stuttgart DNotZ 2002). Mit Recht ist dieses Urteil auf entschiedene Ablehnung in der Literatur gestoßen (Kanzleiter MittBayNot 2003, 197; Heinemann DNotZ 2003, 243, 244 ff.). Diese höchstrichterliche Entscheidung führt nämlich zu dem willkürlich erscheinenden Ergebnis, dass der Erblasser ein eigenhändiges Testament gemäß § 2247 Abs. 3 S. 1 BGB allein mit dem Vornamen (z.B. „Dein Hans“) unterzeichnen kann, er im Falle der notariellen Beurkundung aber mit Vor- und Nachnamen unterschreiben muss. Obwohl bei der eigenhändigen Urkunde der Unterschrift zusätzlich zur Autorisierungs- auch die Identifizierungsfunktion zukommt, sind die Anforderungen nach dieser Rechtsprechung hier geringer als bei der notariellen Urkunde: ein widersinniges Ergebnis!
Doch ist bei zweifelsfreier Identifizierbarkeit des Unterzeichners in beiden Fällen unstreitig auch die Unterschrift allein mit dem Familiennamen zulässig, wobei Zusätze (z.B. senior, unzulässiger Doppelname) unschädlich sind, wenn dadurch nicht auf eine andere Person hingewiesen wird. Die Unterschrift mit einem von mehreren Vornamen zusätzlich zum Familiennamen reicht ebenfalls aus (vgl. Renner NotBZ 2002, 432, 433), und zwar selbst dann, wenn es sich nicht um den Vornamen handelt, der im amtlichen Lichtbildausweis als Rufname vermerkt ist. Ferner ist es unschädlich, wenn der Beteiligte mit einem von ihm üblicherweise gebrauchten Rufnamen (Spitznamen) an Stelle des oder der amtlichen Vornamen unterschreibt (z.B. „Marliese“ statt „Maria Luise“).
Nach hier vertretener Auffassung – und entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung – reicht selbst die Unterzeichnung der notariellen Urkunde mit einem richtigen Vornamen aus, wenn damit nicht lediglich eine Paraphierung beabsichtigt, sondern erkennbar eine vollständige Verantwortungsübernahme dokumentiert werden soll. Solange der BGH diese Rechtsprechung jedoch nicht aufgegeben hat, sollte jeder Notar sicherheitshalber auf der Unterzeichnung mit vollständigem Vor- und Familienname bestehen. Der Familienname darf, worauf auch der Senat des OLG Köln hinweist, dabei nicht abgekürzt werden (vgl. OLG Stuttgart DNotZ 2002, 543; anders für Verstümmelungen, Vereinfachungen oder Abkürzungen KG NJW-RR 1996, 1414). Unschädlich ist es dagegen, wenn bei einem Doppelnamen ein Namensteil fehlt (BGH NJW 1996, 997; OLG Frankfurt NJW 1989, 3030). Die Unterzeichnung mit einem falschen Vornamen schadet nur dann, wenn dadurch kein Bezug mehr zu einem formell Beteiligten hergestellt werden kann (z.B. Eheleute unterschreiben beide mit dem Vornamen des Mannes) (OLG Köln BeckRS 2010, 1140).
OLG Köln, Beschluss vom 18.05.2020 - 2 Wx 102/20, BeckRS 2020, 10595