NJW-Editorial
Mietrechtliche Rauschzustände?
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Eins der großen sozialpolitischen Leuchtturmprojekte der letzten beiden Legislaturperioden sollte die Mietpreisbremse sein. Sie ist krachend gescheitert. Die meisten Landesregierungen schafften es nicht, eine begründete Landesverordnung zu Wege zu bringen. Reihenweise haben die Zivilgerichte Verordnungen für unwirksam erklärt.

11. Feb 2021

Besonders hervorgetan hatte sich Hessen, das sich zunächst weigerte, die Begründung zu veröffentlichen, und schließlich versuchte, die Justiz mit einem Entwurf zufriedenzustellen. Alles umsonst. Der BGH (NJW 2019, 2844 Rn. 33) formulierte eine Selbstverständlichkeit: „Ein solcher Begründungsentwurf kann – ebenso wie ein Verordnungsentwurf – einen Anspruch auf Verbindlichkeit nicht erheben.“ Umso mehr staunt der Fachmann und wundert sich der Laie, wenn er in das Amtsblatt von Brandenburg vom 29.12.2020 (Nr. 51/2020, S. 1352) schaut. Dort wird ausdrücklich eine MietpreisbegrenzungsVO „im Entwurf“ veröffentlicht. Im Vorspann heißt es: „Leider wird es nicht möglich sein, die erforderlichen förmlichen Verfahren vor dem Außerkrafttreten der derzeit geltenden Mietpreisbegrenzungsverordnung vom 28.8.2019 [sic; auch Datum falsch] abzuschließen. Dies gilt umso mehr, als dass nicht gewährleistet werden kann, dass die vorgegebenen förmlichen Fristen in der Corona-Lage eingehalten werden können. Aus diesem Grund werden alle vom Schutzschirm der Mietpreisbegrenzungsverordnung 2021 umfassten Gemeinden hier vorab öffentlich bekannt gemacht.“

Das ist schon der zweite untaugliche Versuch, die Mietpreisbremse in Brandenburg zu retten. Nachdem das AG Potsdam (BeckRS 2018, 26517) im September 2018 die erste Verordnung für unwirksam erklärt hatte, hatte man am 28.3.2019 (!) eine zweite Verordnung mit Rückwirkung ab 1.1.2016 veröffentlicht. Dass eine solche echte Rückwirkung verfassungsrechtlich nicht möglich ist, hatte der BGH schon für Hessen entschieden. In Brandenburg gilt allenfalls für Mietverträge, die zwischen 28.3.2019 und 31.12.2020 abgeschlossen wurden, der dortige „Schutzschirm“.

Andreas Kletečka (AcP 220 [2020], 674 [691]) kommt zu dem Ergebnis, dass die Wirkung der Mietpreisregulierung jener von Drogen vergleichbar sei. Sie mache kurzfristig die Situation erträglicher, mittel- und langfristig verschlimmere sie aber das Grundproblem. „Bei der in Legislaturperioden denkenden Politik kann es auch durchaus zu Rauschzuständen kommen.“ In denen scheint sich gerade die Landesregierung in Brandenburg zu befinden. Das Strafrecht kennt den Vollrausch (§ 323a StGB). Die Mietpreisregulierung ist kein dort aufgeführtes Rauschmittel. Es bestehen noch nicht einmal Amtshaftungsansprüche für solche Rauschtaten (BGH, Urt. v. 28.1.2021 – III ZR 25/20, becklink 2018699). •

Prof. Dr. Ulf P. Börstinghaus ist weiterer aufsichtführender Richter am Amtsgericht, Honorarprofessor an der Universität Bielefeld und Ehrenvorsitzender des Deutschen Mietgerichtstags e.V.