Anmerkung von
Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff, Rechtsanwältin Franziska Bordt, Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München
Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 16/2023 vom 17.08.2023
Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Miet- und Wohnungseigentumsrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de
Sachverhalt
Die Klägerin macht unter Berufung auf eine erfolgte Abtretung Ansprüche der Mieterin einer Wohnung des beklagten Vermieters geltend.
Zwischen dem beklagten Vermieter und der Mieterin besteht seit dem 01.11.2015 ein Mietverhältnis über eine Wohnung, die gemäß der Berliner Mietenbegrenzungsverordnung in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt. Die Mietvertragsparteien vereinbarten eine Staffelmiete; danach erhöhte sich die Miete mit Wirkung ab dem 01.11.2018.
Mit Schreiben vom 04.05.2020 rügte die Klägerin gemäß § 556g Abs. 2 BGB einen Verstoß gegen die Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe. Sie verlangte unter Fristsetzung u.a. Auskunft nach Maßgabe des § 556g Abs. 1a BGB. Ferner begehrte die Klägerin die Rückerstattung der künftig über den zulässigen Höchstbetrag hinaus gezahlten Miete, die Herausgabe der anteiligen Mietkaution sowie die Abgabe einer Erklärung des Beklagten, dass die künftig fällig werdende Miete auf den zulässigen Höchstbetrag herabgesetzt werde.
Mit der erhobenen Klage hat die Klägerin den Beklagten auf Erteilung der vorgenannten Auskünfte und auf (Rück-)Zahlung zu viel gezahlter Miete in Anspruch genommen. Der Beklagte hat sich unter anderem auf die Verjährung des Auskunftsanspruchs berufen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht den Beklagten antragsgemäß zur Auskunftserteilung sowie – überwiegend – zur Zahlung verurteilt.
Mit der vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision wendet sich der Beklagte gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung.
Entscheidung
Die Revision hat Erfolg.
Insbesondere scheide eine Verjährung des Auskunftsanspruchs der Mieterin vor Erhebung der Klage im August 2021 aus.
Gemäß § 557a Abs. 1 BGB könne die Miete für bestimmte Zeiträume in unterschiedlicher Höhe vereinbart werden. Im Fall einer solchen Staffelmiete seien nach § 557a Abs. 4 Satz 1 BGB die Vorschriften der §§ 556d bis 556g BGB auf jede Mietstaffel anzuwenden. Als Folge dieser gesetzlichen Anordnung entstehe mit jeder neuen Staffelstufe ein (selbständiger) Anspruch des Mieters auf Auskunftserteilung über die für die Beurteilung der Zulässigkeit der Miethöhe der jeweiligen Staffelmiete maßgeblichen Tatsachen gemäß § 556g Abs. 3 BGB. Selbst wenn ein zu einem früheren Zeitpunkt – etwa mit dem Abschluss des Mietvertrags oder mit dem Inkrafttreten vorangegangener Staffelstufen – entstandener Auskunftsanspruch bei Inkrafttreten der nachfolgenden Staffelstufe bereits verjährt wäre, hindere dies die Durchsetzung des neuen Auskunftsanspruchs nicht.
Vor diesem Hintergrund sei der Auskunftsanspruch der Mieterin gegen den Beklagten bei Erhebung der Klage (noch) nicht verjährt gewesen. Denn nach der Vereinbarung der Mietvertragsparteien habe ab dem 01.11.2018 die aktuelle Mietstaffel gegolten. Damit stehe der Mieterin jedenfalls der durch die gesetzliche Anordnung in § 557a Abs. 4 Satz 1 BGB neu begründete Anspruch gegen den Beklagten auf Erteilung von Auskunft gemäß § 556g Abs. 3 BGB zu, der unter Zugrundelegung der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB) bei Klageerhebung im August 2021 auch dann noch nicht verjährt gewesen sei, wenn es für den Verjährungsbeginn auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs und nicht auf dessen Geltendmachung ankäme.
Als nicht frei von Rechtsfehlern erweise sich jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, die Mieterin habe den Auskunftsanspruch gemäß § 556g Abs. 3 BGB an die Klägerin abgetreten. Das Berufungsgericht habe die diesbezügliche Behauptung der Klägerin in rechtsfehlerhafter Anwendung von § 138 Abs. 2 ZPO als unstreitig behandelt. Der Beklagte sei nicht gehalten gewesen, den Vortrag der Klägerin deshalb substantiiert zu bestreiten, weil die Klägerin eine schriftliche „Bestätigung Vollmachterteilung und Abtretung, Genehmigung“ mit der Unterschrift der Mieterin vorgelegt habe.
Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO habe sich eine Partei grundsätzlich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Sie dürfe sich also, wenn der Gegner seiner Erklärungslast nachgekommen sei, nicht mit einem bloßen Bestreiten begnügen, sondern müsse erläutern, von welchem Sachverhalt sie ausgehe. Der Umfang der erforderlichen Substantiierung richte sich dabei nach dem Vortrag der darlegungsbelasteten Partei. Je detaillierter dieser sei, desto höher sei die Erklärungslast. Ob ein einfaches Bestreiten als Erklärung gemäß § 138 Abs. 2 ZPO ausreiche oder ob ein substantiiertes Bestreiten erforderlich sei, hänge somit von dem Vortrag der Gegenseite ab.
Etwas anderes gelte hingegen dann, wenn die Partei einen Vortrag mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO bestreiten könne. Nach dieser Vorschrift sei die Erklärung einer Partei mit Nichtwissen über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen seien. Weitere Voraussetzung sei, dass die Partei für die jeweiligen Tatsachen nicht darlegungs- und beweisbelastet sei. Die Zulässigkeit einer solchen Erklärung schließe die Verpflichtung der Partei zu substantiiertem Bestreiten aus. Dies gelte unabhängig von der Substantiierung des gegnerischen Vortrags.
Nach diesem Maßstab habe der Beklagte die Behauptung der Klägerin, die Mieterin habe ihr die geltend gemachten Ansprüche im Zusammenhang mit den Vorschriften zur Begrenzung der Miethöhe abgetreten, gemäß § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen bestreiten dürfen. Weder war er an dem – nach der Behauptung der Klägerin – die materielle Forderungsinhaberschaft der Klägerin begründenden Rechtsgeschäft mit der Mieterin beteiligt noch unterlag dessen Vornahme selbst seiner Wahrnehmung.
Praxishinweis
Der BGH klärt die bislang noch nicht entschiedene Frage, wann der Auskunftsanspruch des Mieters gemäß § 556g Abs. 3 BGB bei der Staffelmiete entsteht und wie es sich mit der Verjährung dieses Anspruchs verhält.
Mit überzeugender Argumentation schließt sich der BGH der in der Literatur vertretenen Ansicht an. Grundsätzlich sind bei einer Staffelmiete gemäß § 557a Abs. 4 Satz 1 BGB die Vorschriften der §§ 556d bis 556g BGB auf jede Mietstaffel einzeln anzuwenden. Es ist nur folgerichtig, dass somit bei der Staffelmiete der Auskunftsanspruch bei jeder Staffelstufe neu entsteht und einem selbstständigen neuen Verjährungslauf unterliegt (Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Auflage 2021, § 556g BGB Rn. 44; V. Emmerich in Staudinger, Kommentar zum BGB, 2021, § 556g BGB Rn. 70; Siegmund in Blank/Börstinghaus/Siegmund, 7. Auflage 2023, § 556g BGB Rn. 51, 52). Insbesondere steht dem die Rechtsprechung des BGH nicht entgegen, dass eine Rüge des Mieters in Bezug auf die Miethöhe einer niedrigeren Staffelstufe für die nachfolgenden Mietstaffeln fortwirkt und nicht mit Beginn jeder neuen Staffelstufe wiederholt werden muss (BGH, Urteil vom 30.03.2022 –VIII ZR 279/21, NZM 2022, 706). Hintergrund dieser Fortwirkung ist es, dem Mieter die Wahrnehmung seiner Rechte nicht unnötig zu erschweren. Demgegenüber wird es gerade dem gesetzlich geregelten Auskunftsanspruch des Mieters gerecht, dass der Auskunftsanspruch des Mieters gemäß § 556g Abs. 3 BGB bei der Staffelmiete bei jeder Staffelstufe neu entsteht. Nur so ist dem Mieter im Zeitpunkt der tatsächlichen Fälligkeit der jeweiligen Mietstaffel die Möglichkeit gegeben, sich über die zu diesem Zeitpunkt ortsübliche Miete Kenntnis zu verschaffen.
BGH, Urteil vom 12.07.2023 - VIII ZR 60/22 (LG Berlin), BeckRS 2023, 16719