Kolumne
Menschenmaschinerie
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Die Weiterentwicklung Künstlicher Intelligenz (nein, es geht in dieser Kolumne nicht um ChatGPT, versprochen) führt zu einem ständigen Mensch-Maschine-Vergleich. Wer kann was besser? Die Optimisten fühlen sich den Maschinen, von denen sie immer noch glauben, dass sie letztlich doch nur berechnen können, überlegen, weil zum menschlichen Denken und Handeln eben mehr gehöre als die logische Schlussfolgerung. Die Pessimisten fürchten hingegen, dass die Maschinen den Menschen schon bald so überlegen sind, dass sie uns ganz ersetzen.

29. Jun 2023

­Juristen sind natürlich selbstbewusst genug, sich zur ersten Kategorie zu zählen. Und zugleich auch fortschrittlich genug, bestimmte Vorzüge intelligenter Maschinen anzuerkennen. Die sieht man vor allem, wenn massenhaft Daten oder Dokumente auszuwerten oder zu erstellen sind.

Noch weitgehend menschengemacht ist die Gesetzgebung. Wobei auf EU-Ebene so massenhaft neue Regelungen produziert werden, dass man ohne jede Übertreibung von einer Gesetzgebungsmaschine sprechen kann. Die Kommission ist gleichsam der Hochleistungsrechner dieses produktiven Legislativsystems. Allein im Rahmen ihrer Digitalstrategie hat die EU jede Menge Rechtsakte erlassen bzw. in der Pipeline, die nicht nur wegen ihrer ähnlichen Namen eine Herausfor­derung für die Rechtspraxis sind. Um nur einige zu nennen: Digital ­Services Act (DSA), Digital Markets Act (DMA), Data Governance Act (DGA), Data Act (DA), Cyber Resilience Act (CRA). Gerade ist eine große KI-Verordnung (AI Act) in der Mache, mit der die EU-Menschen den Maschinen auch regulatorisch ihre Grenzen aufzeigen wollen. Dazu wird auch noch eine KI-Haftungsrichtlinie gefertigt.

Ähnlich läuft es im Bereich der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Pflichten von Unternehmen. Das gerade im Europäischen Parlament nochmals verschärfte EU-Lieferkettengesetz soll andere bestehende und künftige Rechtsakte wie die Verordnung über Entwaldung, die Verordnung über Konfliktmineralien und die Verordnung über ein Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten ergänzen.

Die Rechtsanwender in den Mitgliedstaaten fragen sich indes, wie sie den massenhaften Output der europäischen Gesetzgebungs­maschine eigentlich bewältigen sollen. Viele meinen, ohne maschinelle ­Unterstützung durch KI sei das gar nicht möglich. Das bedeutet: Der Mensch versucht mit massenhaften Regelungen, die Maschinen im Zaum zu halten, fördert damit aber gleichzeitig deren Einsatz, weil sich die massenhafte Regulierung ansonsten kaum bewältigen lässt.

Natürlich wird auch schon an digitaler Gesetzgebung herumexperimentiert. Man mag sich gar nicht vorstellen, wenn das den legislativen Output nochmal steigert, weil dann auf einer digitalen Fertigungsstraße neue Regelungen wie am Fließband produziert werden. Vielleicht ist die Künstliche Intelligenz aber auch so intelligent, dass es ihr gelingt, wirkungsvoll, aber gleichzeitig so zurückhaltend Recht zu setzen, dass man es allein mit menschlicher Intelligenz anwenden kann. Vielleicht sind die Maschinen ja die besseren Legisten.

Tobias Freudenberg ist Rechtsanwalt und Schriftleiter der NJW, Frankfurt a.M..