Urteilsanalyse
Maßnahmen zur Verbesserung der Mietsache durch nachhaltige Erhöhung des Gebrauchswerts
Urteilsanalyse
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Maßnahmen zur Verbesserung der Mietsache durch nachhaltige Erhöhung des Gebrauchswerts sind in erster Linie alle baulichen Veränderungen, die den objektiven Gebrauchs- und Substanzwert der Räume oder Gebäudeteile im Rahmen ihres Zwecks erhöhen und eine bessere Benutzung ermöglichen. Bei der Bewertung ist ein objektiver Maßstab zugrunde zu legen. Der Maßstab orientiert sich - so das LG Hannover - nicht an der Wertung des derzeitigen Mieters, sondern allein an der Verkehrsanschauung (s. nachfolgend LG Hannover, BeckRS 2022, 13845).

21. Jul 2022

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff,  Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 15/2022 vom 21.07.2022

Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Miet- und Wohnungseigentumsrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de

Sachverhalt

Die Klägerin vermietet eine Wohnung in Hannover.

Das Badezimmer ist an Boden und Wänden gefliest, verfügt über eine auf dem Boden stehende Toilette mit Spülkasten, einer auch als Dusche genutzten Badewanne, ein Waschbecken und einen Heizkörper. Im Bereich der Decke sind die von den darüber liegenden Wohnungen führenden Abflussrohre über Putz liegend. Teils finden sich an den Wänden Wasserschäden.

Die Klägerin kündige für den November 2020 Modernisierungsmaßnahmen des Bades an: Das Badezimmer erhält neue Wand- und Bodenfliesen. Anstelle des bisherigen Heizkörpers erhält das Bad einen zeitgemäßen „Handtuchheizkörper“. Das bisherige Stand-WC wird zu einem wandhängenden umgerüstet. Die anschließend notwendigen Malerarbeiten erhöhen ebenfalls den Wohnwert. Auch die Wasserleitungen werden ausgewechselt.

Die Klägerin teilte weiter mit, dass mit Kosten der Modernisierungsmaßnahmen von rund 16.000 EUR brutto mit einem Instandsetzungsanteil von 1.500 EUR zu rechnen sei, sodass sich die Kaltmiete um ca. 100 EUR erhöhen werde.

Der Beklagte erwiderte, dass er nicht gegen die Instandhaltung, aber gegen die Modernisierung Widerspruch erhebe. Mit Anwaltsschreiben drohte die Klägerin dem Beklagten eine Kündigung des Mietverhältnisses wegen Verweigerung der Arbeiten an und erteilte ihm eine Abmahnung, woraufhin der Beklagte meinte, dass er einer Modernisierung nur zustimmen werde, wenn diese nicht zu lange dauere und keine Mieterhöhung zur Folge habe. Hierauf bestand die Klägerin weiterhin auf die Mieterhöhung und bat um Mitteilung von Terminvorschlägen, an denen die Arbeiten ausgeführt werden würden. Da der Beklagte hierauf nicht reagierte, kündigte die Klägerin die Arbeiten für Anfang Mai 2020 an, deren Dauer 12-15 Arbeitstage in Anspruch nehmen würden und von 7:30 Uhr bis 17:00 Uhr durchgeführt werden würden. Nachdem der Beklagte, den Handwerkern den Zutritt verweigerte, kündigte die Klägerin das Mietverhältnis und erhob Räumungsklage. Diese hatte erstinstanzlich keinen Erfolg.

Entscheidung

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Zu Recht führe die Klägerin zwar zunächst an, dass eine Kündigung wegen schuldhafter Vertragspflichtverletzung gem. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht erst dann in Betracht kommt, wenn der Vermieter gegen den Mieter vor Ausspruch der Kündigung einen (rechtskräftig) titulierten Duldungstitel erstritten hat. Für die Frage einer schuldhaften Pflichtverletzung des Mieters sei allein maßgeblich, ob eine Duldungspflicht bestand oder nicht. Bestand eine solche, sei von einer schuldhaften Pflichtverletzung auszugehen, und zwar unabhängig davon, wie dringlich das Anliegen des Vermieters sei.

Danach hänge im zugrundeliegenden Fall die Bewertung, ob eine schuldhafte, nicht unerhebliche Pflichtverletzung des Beklagten gegeben ist, davon ab, ob der Beklagte verpflichtet war, die Renovierung des Bades zu dulden.

Dies sei jedoch nicht der Fall. Wenngleich die geplante Maßnahme auch Instandsetzungsanteile enthalte, die die Klägerin ohne nähere Angaben mit einem Anteil in Höhe von 1.500 EUR bewertet, so liege der Schwerpunkt der Arbeiten auf den weiteren Maßnahmen, d.h. auf dem Austausch der Fliesen, des Heizkörpers und des WC. Diese machen einen Kostenanteil in Höhe von 18.000,00 EUR aus. Ob eine Duldungspflicht bestand, sei deshalb nicht nach § 555a BGB zu beurteilen, denn die Instandsetzungsarbeiten machen nur einen unbedeutenden Teil der Gesamtmaßnahme aus. Eine Duldungspflicht habe vielmehr nur dann bestanden, wenn es sich bei den geplanten Maßnahmen um Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b BGB handle.

Eine Gebrauchswerterhöhung im Sinne des § 555b Nr. 4 BGB sei aber nicht zu erkennen.

Maßnahmen zur Verbesserung der Mietsache durch nachhaltige Erhöhung des Gebrauchswerts seien in erster Linie alle baulichen Veränderungen, die den objektiven Gebrauchs- und Substanzwert der Räume oder Gebäudeteile im Rahmen ihres Zwecks erhöhen und eine bessere Benutzung ermöglichen. Bei der Bewertung sei ein objektiver Maßstab zugrunde zu legen. Der Maßstab orientiere sich nicht an der Wertung des derzeitigen Mieters, sondern allein an der Verkehrsanschauung. Entscheidend sei, ob allgemein in den für das Mietobjekt in Betracht kommenden Mieterkreisen der Maßnahme eine Wohnwertverbesserung zugemessen werde. So stelle zB die Trennung eines Badezimmers in gesonderte Räume für Bad und WC eine Wohnwertverbesserung dar. Auch die erstmalige Verfliesung eines Bades stellt eine Modernisierung dar, nicht hingegen lediglich der Austausch von Sanitärobjekten.

Nach diesem Maßstab handle es sich, insbesondere bei der kompletten Neuverfliesung und auch bei dem Austausch des WC, nicht um Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b Nr. 4 BGB.

Insbesondere sei nicht von einer Wohnwertverbesserung aus Sicht der in Betracht kommenden Mieterkreise auszugehen. Es sei nicht zu erkennen, welchen größeren Nutzen als den einer modernen Farbgestaltung und Optik neue Fliesen haben. Auch sei zu berücksichtigen, dass es sich um eine mit 47 m² eher kleine Wohnung handelt, die mit einem Quadratmeterpreis von 7,73 EUR günstig ist und entsprechend der in Betracht kommende Mieterkreis eher keinen Nutzen darin erkennen wird, für ein optisch neu hergerichtetes Badezimmer einen erheblich höheren Kaltmietzins zu zahlen. Die geplante Modernisierung hätte eine Preissteigerung um rund 30% zur Folge. Danach sei gerade nicht davon auszugehen, dass sich die Wohnung auf dem allgemeinen Markt mit neuem Badezimmer, dafür aber deutlich erhöhtem Kaltmietzins, leichter vermieten lassen würde. Dies gelte gerade auch im Hinblick auf die derzeit ohnehin in allen Bereichen stark steigenden Lebenshaltungskosten, die gerade Haushalte mit geringerem Einkommen über Gebühr belasten und diese nicht veranlassen würden, eine um mehr als 100 EUR teurere Wohnung nur wegen eines erneuerten Badezimmers zu bevorzugen.

Praxishinweis

Dem Urteil ist zuzustimmen.

Gemäß § 555d BGB hat der Mieter Modernisierungsmaßnahmen nach § 555b BGB zu dulden. Besteht ein Duldungsanspruch des Vermieters, kann eine Kündigung in Betracht kommen, wenn der Mieter pflichtwidrig eine grundsätzlich zu duldende Modernisierungsmaßnahme ablehnt oder schon die Besichtigung nicht zulässt (AG München, Endurteil vom 19.05.2021 – 416 C 5151/21, BeckRS 2021, 47915). Ob überhaupt eine Modernisierungsmaßnahme vorliegt, ist – wie das Landgericht richtig feststellt – anhand dessen zu bestimmen, ob die konkrete Maßnahme wohnwertverbessernd ist oder nicht. Zur näheren Bestimmung solcher Maßnahmen kann auf den Katalog in § 4 Abs. 1 ModEnG zurückgegriffen werden, der zwar aufgehoben wurde, gleichwohl aber grds. heute noch zur Begriffsbestimmung und Definition herangezogen werden kann (Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Auflagen 2021, § 555b BGB Rn. 71). Zwar kann demnach die Verbesserung der sanitären Einrichtungen eine Modernisierungsmaßnahme sein; werden jedoch lediglich der zB Toilettentopf sowie die Badewanne ausgetauscht (AG Dortmund, Urteil vom 19.09.1995 – 125 C 10165/95, BeckRS 1995, 10897) oder Armaturen und das Handwaschbecken, also die Sanitäreinrichtungen erneuert (AG Gelsenkirchen, Urteil vom 16.04.1999 - 3 b C 600–98, NZM 1999, 801), liegt darin noch keine Wertverbesserung (LG Itzehoe, Urteil vom 25.11.2011 – 9 S 81/10, BeckRS 2012, 23140). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Vermieter – der grds. auch Luxussanierungen auf den Mieter umlegen kann (Schultz in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Auflage 2019, Kap III Rn 1553) – in seinem Ankündigungsschreiben nichts zur Qualität der verwendeten Materealien bzw. Gegenstände sagt, sondern lediglich pauschal behauptet, die Maßnahmen hätten eine Wohnwertverbesserung zur Folge.


LG Hannover, Hinweisbeschluss vom 02.02.2022 - 20 S 60/21 (AG Hannover), BeckRS 2022, 4996