NJW-Editorial
Löschzug statt Feuerlöscher
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Im Maschinenraum des AGB-Rechts ist durch die Rechtsprechung des BGH zu Banken-AGB mal wieder Feuer ausgebrochen. Die CDU-Fraktion im Deutschen Bundestag schlägt jetzt vor, § 675g BGB zu ändern und damit die Zulässigkeit früherer Bankenpraxis wiederherzustellen. Dieser Ansatz greift zum Handfeuerlöscher, wo längst ein ganzer Löschzug eingesetzt werden müsste.

23. Feb 2023

Im Maschinenraum des AGB-Rechts ist mal wieder Feuer ausgebrochen. Seit dem BGH-Urteil zur Änderung der Banken-AGB (NJW 2021, 2273) ist für jede Änderung die ausdrückliche Zustimmung des Kunden nötig. Und was macht der typische Kunde mit solchen Nachrichten von der Bank? Richtig: Er versteht nicht, um was es geht, und schmeißt sie weg, oder er versteht, dass die Änderung nicht zu seinem Vorteil ist, und schmeißt sie erst recht weg. Erst nach der dritten Mahnung der Bank, dann unter Androhung der Kontokündigung, stimmt er zähneknirschend zu. Aufwand dieses Verfahrens für die Bank: erheblich. Nutzen für den Verbraucherschutz: minimal.

Die CDU-Fraktion im Deutschen Bundestag möchte jetzt den Gesetzgeber motivieren, § 675g BGB zu ändern und damit die Zulässigkeit der früheren Bankenpraxis wiederherzustellen (BT-Drs. 20/4888 v. 14.12.​2022). Dieser Ansatz greift zum Handfeuerlöscher, wo längst ein ganzer Löschzug eingesetzt werden müsste. Es brennt nämlich im AGB-Recht an vielen Stellen, vor allem bezüglich des Verkehrs zwischen Unternehmen. Die Anforderungen an das „Aushandeln“ nach § 305 I 2 BGB sind viel zu streng und gehen an der Realität der Verhandlungssituation vorbei. Die an der Abweichung vom ­Gesetz orientierte Inhaltskontrolle des § 307 II BGB ignoriert die Erkenntnisse der ökonomischen Analyse des Rechts, wonach auch eine deutlich vom Gesetz abweichende Klausel zulässig sein muss, wenn sie wirtschaftlichen Nutzen stiftet. Zunehmend zum Ärgernis wird das Transparenzgebot des § 307 III BGB, das die Rechtssicherheit beeinträchtigt. Denn entweder ist die Klausel verständlich, dann ist sie zu unbestimmt, oder sie ist bestimmt genug, dann ist sie unverständlich. Mit dem letztgenannten Argument wehren sich nicht zuletzt Vorstände von Aktiengesellschaften gegen die sogenannten Clawback-Klauseln in Anstellungsverträgen, die seit der Bankenkrise von 2008 und dem VW-Skandal von 2015 üblich und inzwischen sogar im Aktiengesetz verankert sind, siehe § 87a I Nr. 6 AktG. Sie berufen sich dabei auf ihre Stellung als schutzwürdige Verbraucher, was an Absurdität kaum zu überbieten ist. Diese keinesfalls abschließenden Beispiele belegen, dass das Rechtsgebiet in keinem guten Zustand ist.

All dies ist seit Längerem bekannt und hat in der vergangenen Legislaturperiode zu ­einem Gutachtenauftrag an die Wissenschaft geführt. Dieser hat gute Vorschläge hervorgebracht, die vom Gesetzgeber jedoch nicht aufgegriffen wurden. Zuletzt hat allerdings die Justizministerkonferenz der Länder vom 10.11.​2022 den Bund aufgefordert, endlich tätig zu werden, weil man inzwischen um die Rechtssicherheit und die Attraktivität des deutschen Rechts fürchtet. Dies ist der richtige Weg, und das oben genannte Problem der Banken-AGB kann dabei mit erledigt werden. Eine punktuelle Änderung nur des § 675a BGB reicht jedoch nicht aus. Es ist Zeit für eine umfassende Reform.

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Prof. Dr. Tim Drygala ist Inhaber der Professur für Bürgerliches Recht,​Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht an der Universität Leipzig.