Urteilsanalyse
LG Mannheim: Keine Leistungsverfügung im einstweiligen Rechtsschutz bei Betriebsschließung wegen Corona
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© Dirk-Carsten Günther

Das Landgericht Mannheim hat in einer ersten Entscheidung zu den Auswirkungen der Corona-Krise auf die Betriebsschließungsversicherung den Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt, die ein Hotelbetreiber im Zuge der pandemiebedingten Schließungen beantragt hatte.

15. Mai 2020

IFSG §§ 6, 7

1. Die im Rahmen des Verfügungsgrundes erforderliche Interessenabwägung zwischen dem der Verfügungsklägerin aus der Nichterfüllung entstehenden oder drohenden Schadens einerseits und dem von der Verfügungsbeklagten aus der sofortigen Erfüllung zu erwartenden Schaden andererseits fällt nicht zu Gunsten der Verfügungsklägerin aus, wenn nicht absehbar ist, wie lang die Betriebsbeschränkungen andauern werden.

2. Wenn in den Versicherungsbedingungen keine namentliche Aufzählung von Krankheiten und Krankheitserreger erfolgt, sondern nur ein allgemeiner Hinweis auf das IfSG, sind grundsätzlich die zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles nach dem IfSG meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger gedeckt.

LG Mannheim, Urteil vom 29.04.2020 - 11 O 66/20, BeckRS 2020, 7522

Anmerkung von Dirk-Carsten Günther

Aus beck-fachdienst Versicherungsrecht 10/2020 vom 15.05.2020

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Sachverhalt

Die Verfügungsklägerin begehrt von der Verfügungsbeklagten Leistungen aus drei jeweils für ein Hotel bestehenden Betriebsunterbrechungsversicherungsverträgen im Wege der einstweiligen Verfügung. Im Rahmen dieser «normalen» gewerblichen Sach- und Betriebsunterbrechungsversicherung war in § 5 AVB u.a. geregelt:

1. Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG)a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt;
(…)
2. Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die in den §§ 6 und IFSG § 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger.

Eine namentliche Aufzählung von Krankheiten und Krankheitserregern erfolgt nicht. Aufgrund der epidemischen Ausbreitung des SARS-Corona-Virus wurden am 16.03.2020 bzw. 17.03.2020 in den Bundesländern Hamburg und Berlin Rechtsverordnungen bzw. Allgemeinverfügungen erlassen, die es unter anderem untersagen, Übernachtungsangebote im Beherbergungsgewerbe für touristische Zwecke bereitzustellen. Am 17.03.2020 wurde der Verfügungsbeklagten seitens der Verfügungsklägerin in Bezug auf drei von der Verfügungsbeklagten betriebene Hotels jeweils der Eintritt des Versicherungsfalls gemeldet.

Rechtliche Wertung

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hatte keinen Erfolg.

Es mangelt zum einen an einem Verfügungsgrund. Bei einer Leistungsverfügung sei ein Verfügungsgrund aufgrund der dadurch eintretenden Vorwegnahme der Hauptsache nur in Ausnahmefällen und unter drei kumulativen Voraussetzungen anzunehmen: Die Verfügungsklägerin müsse sich demnach in einer existentiellen Notlage befinden, die die erstrebte Zahlung so dringlich macht, dass sie nicht bis zum Erlass eines vollstreckbaren Urteils in der Hauptsache warten kann, sie müsse mit hoher bis an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Hauptsacheverfahren obsiegen und das Interesse der Verfügungsklägerin an der Zuerkennung des Zahlungsanspruchs bereits im Verfahren der einstweiligen Verfügung müsse das Interesse der Verfügungsbeklagten unter Abwägung der beiderseitigen Belange, insbesondere des der Verfügungsklägerin aus der Nichterfüllung entstehenden oder drohenden Schadens einerseits und des von der Verfügungsbeklagten aus der sofortigen Erfüllung zu erwartenden Schadens andererseits, bei weitem überwiegen.

Ob die drohende Zahlungsunfähigkeit einer GmbH eine derartige existentielle, zur Zulässigkeit einer Leistungsverfügung führende Notlage begründen kann, sei umstritten, könne vorliegend aber offen bleiben, so das Gericht weiter. Denn selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass die drohende Zahlungsunfähigkeit einer GmbH dem Grunde nach den Erlass einer Leistungsverfügung rechtfertigen kann, so würde jedenfalls, um die Hauptsache nur im geringstmöglichen Umfang vorwegzunehmen, eine Verurteilung der Verfügungsbeklagten zur Zahlung im einstweiligen Verfügungsverfahren nur in der Höhe erfolgen können, die momentan notwendig ist, um die behauptete existenzielle Notlage der Klägerin abwenden zu können.

Schließlich gehe auch die bei der Leistungsverfügung gebotene Interessenabwägung nicht zu Gunsten der Verfügungsklägerin aus. Ihr sei zwar zuzugeben, dass aufgrund der offenkundig bestehenden Auswirkungen der Ausbreitung des Corona-Virus gerade das Hotelgewerbe eine Branche ist, die erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen ausgesetzt ist, was den Wunsch nach schnell zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln verständlich mache. Allerdings könne derzeit nicht festgestellt werden, dass die verfolgte einstweilige Verfügung geeignet ist, die durch die Pandemie begründete Notlage der Verfügungsklägerin zu beseitigen. Das liege daran, dass die Betriebsunterbrechungsversicherung einen Zeitraum von (nur) 30 Tagen abfedert. Wie lang die Beschränkungen andauern werden, sei derzeit nicht absehbar. Selbst wenn die Hotels wieder öffnen dürften, sei aber aufgrund mutmaßlich noch für längere Zeit bestehender Reisebeschränkungen und verschärfter Hygienemaßnahmen nicht damit zu rechnen, dass bei einer Wiederaufnahme des Betriebs unmittelbar wieder die früheren Umsätze erzielt werden können. Ob die begehrte Versicherungsleistung und staatliche Hilfen genügen werden, könne erst im Laufe der künftigen Entwicklung festgestellt werden. Dieses Risiko mittels einer Vorwegnahme der Hauptsache der Verfügungsbeklagten aufzubürden, lasse sich nicht begründen.

Was die Frage nach einem Verfügungsanspruch angeht, sei der Coronavirus gedeckt, da in § 5 AVB nur allgemein auf das IFSG, ohne Nennung einer bestimmten Gesetzesfassung, verwiesen werde. Dabei handele es sich nicht um eine statische Verweisung auf die bei Vertragsschluss in diesen Normen aufgezählten Krankheiten und Krankheitserreger, sondern eine dynamische Verweisung, die alle - auch bei nachträglichen Gesetzesänderungen – meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger umfasst. Für die letztgenannte Auslegung spricht nach Auffassung der Kammer insbesondere, dass in diesen Bedingungen gerade keine enumerative Aufzählung von verschiedenen Erregern beziehungsweise Krankheiten erfolgt.

Ferner hält die Kammer im vorliegenden Fall eine Betriebsschließung gemäß § 5 Nr. 1 der Bedingungen 2010 der drei streitgegenständlichen Hotels für gegeben, wenn die Hotels faktisch geschlossen wurden und keinerlei wirtschaftlich sinnvolle Betätigungsmöglichkeit verbleibt.

Bei der Berechnung der Höhe der Versicherungsleistung hatte die Kammer Zweifel sowohl an der Darlegung der Höhe als auch an der hinreichenden Glaubhaftmachung der Kosten.

Praxishinweis

Das im Rahmen einer einstweiligen Verfügung ergangene Urteil ist von Interesse, da es einen der ersten Fälle abbilden dürfte, in dem sich ein Gericht mit einer Betriebsschließungsversicherung befasst hat. An wichtigen Punkten ist das Urteil nur recht knapp begründet, was daran liegt, dass es sich um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes handelt. Was die Ausführungen zum fehlenden Verfügungsgrund angeht, enthält das Urteil rechtlich keine neuen Erkenntnisse. Gerade im Bereich der Sachversicherung gibt es, soweit ersichtlich, auch keine Entscheidung, in der jemals eine Leistungsverfügung ergangen wäre. Interessant sind die Hinweise des Gerichtes zum Verfügungsanspruch.

1. Wichtige Vorfrage ist, ob der SARS-Coronavirus als solcher in den AVB abgedeckt ist. Das Urteil des LG Mannheim dürfte so zu verstehen sein, dass dies der Fall ist, wenn in den jeweiligen AVB die Krankheiten/Krankheitserreger nicht tabellarisch aufgeführt sind, sondern nur pauschal auf das IfSG verwiesen wird. Diese Auffassung, wonach im umgekehrten Fall der tabellarischen Auflistung keine Deckung besteht, wird auch im Schrifttum vertreten (vgl. Rixecker in Schmidt, COVID-19 – Rechtsfragen zur Coronakrise, § 11, Rz. 57 f; Noll juris-PR-VersR 4/2020, Anm. 1; Schreier, VersR 2020, 513; demn. Günther r+s 2020, 241; ferner Kouba VW 2001, 188). Rixecker differenziert a.a.O., dass die Aufzählung enumerativ ist, wenn auf «die im Folgenden» namentlich genannten Krankheiten/Krankheitserreger in den AVB verwiesen wird. Bei zahlreichen Musterbedingungen wird eine solche Formulierung verwandt. Zutreffend weist Rixecker ferner darauf hin, dass eine nachträgliche Einbeziehung des SARS-Coronavirus auf eine bei AVB unzulässige Analogie hinauslaufen würde. Hinzu komme, dass die Versicherer in Bezug auf die bei Vertragsschluss bekannten Krankheiten/Krankheitserreger und die damaligen wissenschaftlichen Erkenntnisse die Risikokalkulation darauf abstellen konnten, während bei Annahme einer Analogie trotz einer namentlichen Aufzählung in den AVB das Risiko unkalkulierbar wäre.

Wenn wie in dem vom LG Mannheim zu beurteilenden Fall keine namentliche Auflistung erfolgt, ist die Vorfrage zu klären, ob eine dynamische Verweisung auf die aktuelle Fassung des IfSG vorliegt. Enthalten die AVB keinen Hinweis auf eine konkrete Gesetzesfassung des IfSG, soll laut LG Mannheim eine dynamische Verweisung vorliegen. Im umgekehrten Fall, wenn also in den AVB auf eine konkrete Gesetzesfassung des IfSG mit einem bestimmten Datum verwiesen wird, wäre mithin eine dynamische Verweisung zu verneinen.

Die Begründung des LG Mannheim, wonach über die Generalklausel in § 6 Abs. 1 Nr. 5 IfSG im Fall einer dynamischen Verweisung der SARS-Coronavirus grundsätzlich mit abgedeckt ist, überzeugt nicht. Sie übersieht, dass der Krankheitserreger «namentlich» in §§ 6, 7 IfSG aufgeführt sein muss. Das IfSG zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls datiert vom 20.02.2020 und ist zum 01.03.2020 in Kraft getreten. Der in § 7 Abs. 1 IfSG in Ziffer 31 a) aufgenommene MERS-CoV ist nicht die aktuell maßgebliche SARS-Variante. Dieser ist von der Gesetzesänderung nicht erfasst.

SARS-CoV-2 ist aufgrund einer Eilverordnung des Bundesgesundheitsamtes vom 30.01.2020 mit Wirkung zum 01.02.2020 als temporär meldepflichtige Krankheit bzw. meldepflichtiger Krankheitserreger auf Grundlage von § 15 Abs. 2 IfSG erklärt worden. Eine solche Eilverordnung ändert aber nichts daran, dass trotz der temporären Meldepflicht dieser Erreger nicht im Gesetzestext des § 7 IfSG enthalten ist. Versicherungsbedingungen sind, so zutreffend im Ausgangspunkt das LG Mannheim, aus Sicht eines durchschnittlichen und verständigen Versicherungsnehmers auszulegen. Dieser Auslegungsgrundsatz ist vom Ergebnis her betrachtet zwar oft für den Versicherungsnehmer günstig, es gibt aber keine «Rosinentheorie». So kann das Auslegungsergebnis auch zum Fehlen einer Deckung führen wie etwa in der Sachversicherung bei dem sogenannten «Schwammurteil» des BGH (Urteil vom 27.06.2012 - IV ZR 212/10, r+s 2012, 490). Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird weiterhin in § 7 IfSG den SARS-CoV-2-Virus nicht finden und auf Grundlage der Auslegungsgrundsätze käme es auf ministerielle Verordnungen nicht an, da der durchschnittliche Versicherungsnehmer hierauf nicht abstellen wird (näher hierzu Günther, demn. in r+s 2020, 241).

2. Die weitere Frage ist, ob auch präventive Schließungen aufgrund einer allgemeinen Anordnung zur Reduzierung von Kontakten in der Gesamtbevölkerung gedeckt sind oder ob dies nur für betriebsinterne Gefahren gilt, wenn also in dem versicherten Betrieb selber ein Coronafall auftritt. Für erstes könnte sprechen, dass die AVB ohne weiter zu differenzieren lediglich von einer Betriebsschließung des «versicherten Betriebs» sprechen. Dann könnte man nach dem Wortlaut auch eine allgemeine Anordnung zur Schließung ganzer Geschäftszweige als Betriebsschließung im Sinne der Betriebsschließungsversicherung verstehen.

Auf der anderen Seite ist dieses Wortlautverständnis keineswegs zwingend, zumal wenn aufgrund der für den Versicherungsnehmer erkennbaren Systematik alle in der Betriebsschließungsversicherung geregelten Fälle auf rein betriebsinterne Gefahrenquellen abstellen wie Desinfektion, Unbrauchbarmachung von Waren und Vorräten sowie Tätigkeitsverbot von infizierten Mitarbeitern. Letztere Regelung findet sich im selben Satz wie die Regelung zur Betriebsschließung und stellt eine Deckungserweiterung dar. Auch hieraus folgt, dass intrinsische Gefahren nicht gedeckt sind (ausführlich hierzu Günther in r+s 2015, 241; Schreier, VersR 2020, 513). Hierfür spricht ferner der für den Versicherungsnehmer erkennbare Sinn und Zweck einer Betriebsschließungsversicherung mit ihren üblicherweise geringen Prämiensätzen.

Erfolgt eine Schließung von Betrieben nur stundenweise oder nur für einzelne Betriebsteile, so zeigt dies, dass eine solche Anordnung losgelöst ist von einer Gefährdung aus dem versicherten Betrieb und es dem Zufall geschuldet ist, ob ein Betrieb einer Allgemeinanordnung unterfällt, nur weil er Publikumsverkehr hat. Dies wird weiter belegt, da es für Betriebe ohne Außenkontakte keine Schließungsverfügung gibt. Für die Notwendigkeit einer intrinsischen Gefahr sprechen auch die Regelungen zum Versicherungsort, aus denen herzuleiten ist, dass sich das für den Versicherungsfall maßgebliche Risiko am Versicherungsort zu realisieren hat. Auch die Obliegenheiten in der Betriebsschließungsversicherung stellen auf intrinsische Gefahren ab, da die Obliegenheiten darauf hinzielen, dass der Versicherungsnehmer Einfluss auf das Risiko hat, was aber bei Umständen außerhalb seines Betriebs regelmäßig nicht der Fall ist. Schließlich wird dies auch, was bei der Auslegung von AVB statthaft hat, durch Werbeaussagen und Vertriebsinformationen sowohl des Versicherers als auch der Versicherungsmakler bestätigt. Diese betrafen, soweit ersichtlich, ausschließlich die Fälle einer intrinsischen Gefahr.

3.  Mit recht knapper Begründung setzt das LG Mannheim eine «faktische» Betriebsschließung mit einer nach den AVB maßgeblichen rechtlichen Betriebsschließung gleich. Dies erscheint in mehrfacher Hinsicht rechtlich fehlsam.

Maßgebend ist eine Betriebsschließung aufgrund einer behördlichen Anordnung, so dass zunächst inzident eine öffentlich-rechtliche Prüfung zu erfolgen hat, ob eine Schließung vorliegt. In dem vom LG Mannheim zu beurteilenden Falle war dies nicht gegeben, da nach den Verordnungen keine Schließung erfolgte (anders in anderen Bereichen, z.B bei körpernahen Dienstleistungen wie Friseurbetrieben), sondern nur eine Betriebsbeschränkung. Das LG Mannheim argumentiert hingegen rein betriebswirtschaftlich («Dennoch stellt sich die aktuelle Situation so dar, dass diese Beschränkung des Hotelbetriebs sich wie eine faktische Schließung auswirkt»). Dabei bleibt unklar, ab wann nicht von einer «faktischen Betriebsschließung» auszugehen ist und wie die  Abgrenzung einer «faktischen» von einer «nicht faktischen» Betriebsschließung vorzunehmen ist (Überschreiten eines bestimmten Prozentsatzes als eine Art Bagatellgrenze?).

Dies gilt erst recht, wenn - was im Hotelbereich der Regelfall sein dürfte - eine «faktische Betriebsschließung» bereits vor Erlass einer Rechtsverordnung erfolgte. Denn aufgrund der sich rapide und massiv verschlechterten Entwicklung in Italien bei zeitlich parallel auftretenden zahlreichen Coronafällen im Kreis Heinsberg, der damit verbundenen enormen medialen Aufmerksamkeit und Empfehlungen, Reisetätigkeiten einzuschränken, seien spätestens Anfang März die Übernachtungszahlen im Hotelbereich drastisch eingebrochen und die meisten Hotelbetriebe «faktisch» geschlossen gewesen. Es kann daher nur auf eine rechtliche und nicht auf eine betriebswirtschaftliche Betriebsschließung ankommen.

Liegt hingegen eine öffentlich-rechtliche Schließung vor, wäre zu prüfen, ob eine vollständige Schließung gegeben ist. Kommt es nur zu einer angeordneten Teilschließung (z.B. die Gaststätte muss zu einer bestimmten Uhrzeit schließen oder die Bäckerei darf ihr angeschlossenen Café nicht mehr betreiben), liegt keine Schliessung im Sinn der Betriebskostenversicherung vor. Dies folgt aus dem Wortlaut, denn danach ist eine Betriebsschließung ein «Vorgang, bei dem eine öffentliche oder wirtschaftliche Einrichtung ihre Arbeit dauerhaft beendet» (siehe www.wortbedeutung.info für den Begriff «Schliessung»). Der Betrieb muss folglich vollständig geschlossen und die betriebliche Tätigkeit ganz eingestellt sein. Die AVB sprechen zudem von einer Schließung «des versicherten Betriebes» und gewähren oftmals eine Entschädigung in Form einer Tagesentschädigung, so dass sich auch hieraus ergibt, dass eine Teilschliessung keinen Versicherungsfall darstellt (so auch Rixecker, a.a.O, Rz. 62).

4.  In dem Fall des LG Mannheim handelte es sich um eine Betriebsunterbrechungsversicherung, bei der in einer Zusatzdeckung eine Betriebskostenversicherung inkludiert war. Die Berechnung erfolgt nach der Entschädigungsberechnung für die Betriebsunterbrechungsversicherung, so dass es sich, anders als im Regelfall in der Betriebskostenversicherung, um keine Summen-, sondern eine Schadenversicherung handelt. Das LG Mannheim verneint eine ausreichende Darlegung zur Schadenhöhe. Diese Ausführungen wären zu ergänzen, da das Gericht übersehen hat, dass in der Betriebsunterbrechungsversicherung eine hypothetische bzw. überholende Kausalität zu berücksichtigen ist. Eine solche ist zwar im Zivilrecht und damit auch im Versicherungsvertragsrecht grundsätzlich unbeachtlich  (vgl. z.B  im Bereich der Sachversicherung BGH, Urteil vom 06.06.1984 - IVa ZR 149/82, VersR 1984, 843; näher hierzu Günther, Vertragstechnik in der Sachversicherung, iBook, Köln 2012, S. 100 ff).

Üblicherweise ist jedoch in den Betriebsunterbrechungsbedingungen ausdrücklich geregelt, dass für die Feststellung des Betriebsunterbrechungsschadens sämtliche Umstände zu berücksichtigen sind, die während des Haftzeitraums das Ergebnis des Betriebes während des Bewertungszeitraums günstig oder ungünstig beeinflusst haben würden, wenn die Unterbrechung nicht eingetreten wäre (vgl. zB. § 6 FBUB 2010; vgl. auch Günther in Looschelders/Pohlmann, VVG, 3. Aufl., Betriebsunterbrechungsversicherung, Rz. 62). Daher wäre - bezogen auf den Haftungszeitraum von 30 Tagen - eine hypothetische Betrachtung der Betriebsentwicklung vorzunehmen, also wie sich der Umsatz und der Gewinn entwickelt hätten, wenn die Corona-Rechtsverordnungen nicht erlassen worden wären. Dann wären jedoch gleichwohl Umsatz und Gewinn eingebrochen, da auch ohne förmliche Rechtsverordnungen in dem Haftungszeitraum Mitte März bis Mitte April es kaum noch Hotelübernachtungen gegeben hätte. Gedeckt wären dann nur die nicht reduzierbaren Kosten.