Urteilsanalyse
Kündigung nach in der Mietsache begangenen Straftaten
Urteilsanalyse
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In der Mietsache begangene Straftaten rechtfertigen - so das Landgericht Berlin - eine vermieterseitige Kündigung grundsätzlich nur, wenn der Mieter selbst Täter ist oder das Delikt in Kenntnis des Mieters begangen wurde.

4. Aug 2022

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff,  Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 16/2022 vom 04.08.2022

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Sachverhalt

Die Mieter sind Eltern des ebenfalls in der Wohnung lebenden Sohnes. Der Sohn wurde strafrechtlich verurteilt, weil er u.a. in der Wohnung mit Drogen gehandelt hat. Als der Vermieter dies erfuhr, kündigte er das Mietverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich und erhob im Anschluss Räumungsklage. Diese wurde abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Vermieter mit seiner Berufung.

Entscheidung

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Das Amtsgericht habe die Räumungsklage zutreffend abgewiesen. Das Mietverhältnis sei nicht beendet, da die streitgegenständlichen Kündigungen des Mietverhältnisses nicht gerechtfertigt seien. Sowohl die von der Klägerin ausgesprochene fristlose als auch die ordentliche Kündigung erforderten eine hinreichend erhebliche Pflichtverletzung der Beklagten. An einer solchen fehle es. Es unterliege zwar keinen Zweifeln, dass die dem Sohn der Beklagten zur Last gelegten Betäubungsmitteldelikte grundsätzlich geeignet wären, eine verhaltensbedingte Kündigung des Mietverhältnisses zu rechtfertigen, erst recht, wenn sich der Tatort in der Mietsache befunden hätte. Das hätte allerdings erfordert, dass entweder die beklagten Mieter selbst Täter der behaupteten Delikte gewesen wären oder ihr Sohn die behaupteten Straftaten in Kenntnis der Beklagten begangen hätte. An beidem fehle es.

Damit aber falle den Beklagten kein persönliches Eigenverschulden, sondern allenfalls ein ihnen gemäß § 278 BGB zugerechnetes Verschulden ihres Sohnes zur Last. Ein solches wiege für den Mieter bei der Beurteilung der Erheblichkeit seiner Pflichtverletzung weit weniger schwer als eigenes. Diese Wertung entspreche dem allgemeinen kündigungsrechtlichen Grundsatz, dass für den Gekündigten nicht erkenn- oder beherrschbare Pflichtverstöße seines Erfüllungsgehilfen das Gewicht der ihm zugerechneten und zum Gegenstand der Kündigung erhobenen Pflichtverletzung deutlich mindern.

Davon ausgehend komme den streitgegenständlichen Pflichtverletzungen das für den Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung erforderliche Gewicht nicht zu.

Praxishinweis

Klar sind die Fälle, bei denen der Mieter selbst in der Mietwohnung mit Drogen handelt (AG Pinneberg, Urteil vom 29.08.2002 - 68 C 23/02, NJW-RR 2003, 944) oder die Wohnung als Lagerort für illegale Gegenstände, wie Drogen oder Waffen nutzt (AG Hamburg, Urteil vom 23.03.2021 - 43b C 168/20, BeckRS 2021, 22956). Hier ist eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung regelmäßig wirksam.

Schwieriger zu beurteilen sind Sachverhalte, bei denen der Mieter nicht direkt die Straftat begeht, sondern andere Bewohner. Hier kommt eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht, wenn das Verhalten des Straftäters den Mietern zugerechnet werden kann, was bei einem Eltern-Kind-Verhältnis regelmäßig der Fall sein wird. Mieter haben im Rahmen ihrer Obhuts- und Sorgfaltspflicht gemäß § 278 BGB auch das Verschulden von Personen zu vertreten, die auf seine Veranlassung hin mit der Mietsache in Berührung kommen, worunter u.a. Verwandte fallen (BGH, Urteil vom 15.05.1991 - VIII ZR 38/90, NJW 1991, 1750). Auch wenn den Mieter in einem solchen Fall kein persönliches Verschulden trifft, wird der wichtige Grund für die Beendigung des Mietverhältnisses dadurch begründet, dass die Unzumutbarkeit für die Fortsetzung des Mietverhältnisses aus dem allgemeinen Einflussbereich des Mieters, nämlich vorliegend dem Verhalten ihres Sohnes, herrührt.

Aus den Entscheidungsgründen nicht ersichtlich ist allerdings der Umfang des Drogenhandels. Wirkt sich dieser auch erheblich auf die Nachbarschaft aus, ist eine Kündigung gerechtfertigt (LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 11.07.2019 – 2-11 S 64/19, BeckRS 2019, 47090). Dies ist auch sachgerecht, denn der Mieter hat Anspruch auf Aufnahme eines nahen Angehörigen in die Mietwohnung, daher muss er auch für das Fehlverhalten dieser Personen einstehen.


LG Berlin, Hinweisbeschluss vom 09.06.2022 - 67 S 90/22, BeckRS 2022, 14625