NJW-Editorial
Koste es, was es solle
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Die Bundesregierung bereitet aktuell die (über-)fällige Anhebung der Anwaltsvergütung vor, die zu Recht einen Sonderaufschlag für das sozialgerichtliche Verfahren vorsieht. Das Reformvorhaben verdient insgesamt Zustimmung – es gibt aber weiteren Regelungsbedarf. 

17. Sep 2020

Die Bundesregierung bereitet aktuell die (über-)fällige Anhebung der Anwaltsvergütung vor, die zu Recht einen Sonderaufschlag für das sozialgerichtliche Verfahren vorsieht. Gleichzeitig soll dabei eine großzügige Vereinheitlichung der gegensätzlichen Rechtsprechung zur „fiktiven“ Terminsgebühr bei außergerichtlichen Vergleichen mit Bezug zu rechtshängigen Ansprüchen herbeigeführt werden, was faktisch zu einer Anhebung der Vergleichsgebühr von 1,0 auf 2,2 führt. Im sozialgerichtlichen Verfahren mit Rahmengebühren bedeutet es gar (fast) eine Verdreifachung der Verfahrensgebühr – möglicherweise ein Hemmschuh für Vergleiche insgesamt!

Die Initiative ist aber im Dienste der Rechtsvereinheitlichung zu begrüßen – und es gibt weitere Bedarfe. Ein mindestens so fundamentaler Streitstoff rund um das Kostenrecht beschäftigt speziell die Verwaltungsgerichtsbarkeit: So verweigern einige Oberverwaltungsgerichte trotz § 1 III RVG in Asylsachen den Beschwerdezugang auch im PkhRecht, indem sie den Beschwerdeausschluss in § 80 AsylG als vorrangig werten. Auch hier sollte die Legislative ihren Willen weiter verdeutlichen und für bundesweite Klarheit sorgen.

Dies muss zudem dringend um einen prozeduralen Schritt ergänzt werden. Denn die Kostenrechtsprechung ist mangels Zugangs zu den obersten Bundesgerichten allzu zersplittert. Im Kostenfestsetzungsverfahren bei den Sozialgerichten etwa fehlt jeglicher Rechtsmittelzugang, im Pkh-Recht wie auch in Fragen des GKG und des JVEG kommt man über die Obergerichte nicht hinaus.

Die insoweit durchgängig bundesrechtlich geregelte Materie harrt, wie nicht nur die genannten Beispiele zeigen, dringend der Rechtseinheit, die nur durch eine Rechtsbeschwerde in allen Gerichtsbarkeiten und für das gesamte Kostenrecht herbeigeführt werden kann. Klare Vorgaben der obersten Bundesgerichte entlasteten dabei nicht nur Kostenbeamte. Denn es ist kein Geheimnis, dass das Kostenrecht auf der Begeisterungsskala der Richterschaft durchweg hintere Plätze belegt. Insofern trügen richtunggebende Entscheidungen etwa eines Kasseler oder Leipziger Kostensenats bis hin zu einem sogar gerichtsbarkeitsübergreifenden Schlusswort des GmS-OGB allerorten zur Vermeidung nicht wirklich beliebter Verfahren bei, weil allen klar ist, wie vergütet wird und was zu zahlen ist.

Iudex calculare nolit – der Richter rechnet nicht (gern), weil er oft keine wirkliche Lust hat. Bei den obersten Bundesgerichten werden sich aber sicher Zahlenbegeisterte finden, die sich des Grundsätzlichen im Kostenrecht annehmen. Der Gesetzgeber möge ihnen dieses Betätigungsfeld nicht weiter vorenthalten – profitieren werden viele. •

Prof. Dr. iur. utr. Carsten Schütz ist Direktor des SG Fulda, hier zugleich Vorsitzender der zentralen Kostenkammer, und Honorarprofessor an der Hochschule Fulda.