Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Hans-Jochem Mayer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bühl
Aus beck-fachdienst Vergütungs- und Kostenrecht 24/2020 vom 03.12.2020
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Sachverhalt
Nach der Niederlegung seines Mandats in einem Kündigungsschutzverfahren bat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten um eine Streitwertabsichtserklärung, später um einen entsprechenden Beschluss. Das Arbeitsgericht setzte bei der Gegenstandswertbestimmung im Beschluss vom 26.03.2020 für die Anträge einzelne Werte fest, ohne einen Gesamtgegenstandswert zu bilden. Der Prozessbevollmächtigte beantragte dann die Festsetzung der Vergütung gegen die eigene Partei aus einem Gegenstandswert von 11.178 EUR (Summe der vom ArbG festgesetzten Einzelwerte). Die Beklagte legte «Einspruch gegen den Wert und den Herr L. verlangt» ein. Das ArbG setzte die Vergütung gegen die Beklagte am 20.07.2020 antragsgemäß fest. Dagegen legte die Beklagte Beschwerde ein und begründete auch diese damit, dass der «Streitwert von 11.000 EUR» nicht korrekt sei. Am 31.10.2020 änderte die erkennende Kammer den Gegenstandswertbeschluss des ArbG vom 26.03.2020 ab und setzte einen Gesamtgegenstandswert von knapp 6.980,00 EUR fest.
Entscheidung: Konkludenter Antrag auf förmliche Wertfestsetzung, Rechtspfleger in diesem Verfahren nicht zu selbstständiger Wertfestsetzung befugt
Die Beschwerde hatte Erfolg. Sie führte zur Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und zur Zurückverweisung der Sache an die Rechtspflegerin des ArbG.
Die Beklagte habe sich gegen den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss im Wesentlichen mit der Begründung gewandt, die Rechtspflegerin habe ihrer Entscheidung zu den Anwaltsgebühren einen unzutreffenden Gegenstandswert zugrunde gelegt. Darin liege in der Regel ein konkludenter Antrag auf förmliche Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren gemäß § 33 Abs. 1 Alt. 1 RVG. Über diesen Antrag könne die Rechtspflegerin mangels eigener Zuständigkeit nicht im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens selbst entscheiden, vielmehr müsse die Festsetzung des Gegenstandswertes durch verbindliche Entscheidung im Verfahren nach § 63 GKG, § 33 RVG erfolgen. Die Rechtspflegerin müsse das Verfahren nach §§ 11 Abs. 4 RVG, 148 ZPO aussetzen und eine richterliche Entscheidung über den Antrag auf Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren anregen.
Hier sei die Rechtspflegerin offenbar davon ausgegangen, dass bereits über den Gegenstandswert entschieden sei. Dabei sei übersehen worden, dass sich in der Akte noch ein zulässiges Rechtsmittel gegen den Beschluss vom 26.03.2020 befand. Vor einer Festsetzung der Kosten wäre demnach zunächst das die Bestimmung des Gegenstandswerts betreffende Beschwerdeverfahren abzuwarten gewesen. Auf der Basis der inzwischen ergangenen Beschwerdeentscheidung über den Gegenstandswert, mit der die Entscheidung des ArbG abgeändert worden sei, könnten nun durch die Rechtspflegerin die Kosten festgesetzt werden.
Praxishinweis
Wird im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG der vom Rechtsanwalt angegebene Gegenstandswert von einem Beteiligten bestritten, ist nach § 11 Abs. 4 RVG das Verfahren auszusetzen, bis das Gericht nach den §§ 32, 33 und 38 Abs. 1 RVG den Gegenstandswert festgesetzt hat. An einer freien Würdigung des Gegenstandswerts ist Rechtspfleger beziehungsweise der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle in einem solchen Fall gehindert, die Aussetzung nach § 11 Abs. 4 RVG steht nicht in seinem Ermessen (Mayer in Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl. 2018, § 11 RVG, Rn. 106). Strittig ist, ob das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach erfolgter Wertfestsetzung durch Entscheidung des Gerichts von Amts wegen vorzuführen ist oder ob die Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens durch einen Beteiligten nach § 250 ZPO erfolgen muss (s. zum Streitstand Mayer in Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl. 2018, § 11 RVG, Rn. 107).
LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.11.2020 - 26 Ta (Kost) 6101/20 (ArbG Neuruppin), BeckRS 2020, 31729