Das „Sicherheitspaket“ setzt mit wesentlich erweiterten Befugnissen der Polizeien des Bundes zur biometrischen Gesichtserkennung und zur automatisierten Zusammenführung von Datenbeständen, für die wie schon in einigen Bundesländern die umstrittene Software von Palantir zum Einsatz kommen dürfte, nachhaltige Akzente in dem im freiheitlichen Rechtsstaat stets neu auszutarierenden Verhältnis von Freiheit und Sicherheit zu Lasten der Freiheit. Dass die Bedrohung durch terroristische und kriminelle Strukturen den Einsatz technologischer Instrumente zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung erfordert, sollte außer Frage stehen – innere Sicherheit ist Kernaufgabe des Staates. Desgleichen sollte außer Frage stehen, dass dort, wo Gefahrenvorsorge und Gefahrenabwehr ebenso wie Strafverfolgung mit intensiven Grundrechtseingriffen einhergehen, das Gebot der Verhältnismäßigkeit Schranken setzt, dies bereits beim Informationseingriff. Nach Maßgabe von Streubreite und Anlassunabhängigkeit als nach der Rechtsprechung des BVerfG zentralen Wertungskriterien wäre die umfassende biometrische Überwachung im Internet von sehr hoher Eingriffsintensität, würde, wie zu Recht gegen das Gesetzesvorhaben eingewandt wird, den Raum Internet grundlegend verändern und jenen chilling effect produzieren, der jede grundrechtliche Freiheit bedroht. Bereits anlasslos sollen polizeiliche Datenbestände zusammengeführt werden, als automatisierte Analyse von Polizeidaten über eine Vielzahl von Menschen oder, wie der ChaosComputerClub kritisiert, eine Rasterfahndung neuer Qualität mittels KI. Befürchtungen, dass das „Sicherheitspaket“ einen weiteren Schritt zur ohnehin weit fortgeschrittenen Totalüberwachung des Bürgers bedeuten könnte, sollten ernst genommen werden.
Der Referentenentwurf verweist zur Begründung auf „vermehrte schwere Gewalttaten (…) durch Einzeltäter wie in Mannheim, Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg und Hamburg“. Der Zusammenhang erschließt sich nicht ohne Weiteres angesichts offener Fragen nach der Ursächlichkeit administrativer Versäumnisse in diesen und weiteren Fällen. Sollten die Entwürfe Gesetz werden, dürften sie unverzüglich auf den Prüfstand des BVerfG gelangen. Dass zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung grundrechtliche Schutzpflichten ins Feld geführt werden, ist zu erwarten, hierauf wurden und werden intensive Eingriffe in Freiheitsrechte routinemäßig gestützt. Die Grundrechte jedoch sind zuerst und vor allem Abwehrrechte gegen den Staat – dass darüber Konsens besteht, dies ist berechtigte Erwartung an das BVerfG, in welcher Zusammensetzung auch immer.
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