Kolumne

Oldies but Goldies
Kolumne
© Markus Hartung/Frank Eidel

Die Anwaltschaft hat ein Altersstrukturproblem. „Deutschlands Anwaltschaft vergreist“, hieß es mal in einem Beitrag. Vielleicht nimmt das nicht jeder der in Ehren gereiften Kollegen als Problem wahr, so wie man auch selten einen vor dem Renteneintritt stehenden Babyboomer über das Rentenproblem schimpfen hört. 

18. Aug 2025

Aber nach den vom Soldan-Institut erhobenen Zahlen gehen die Anwaltsneuzulassungen zurück, nicht wenige von ihnen werden nach kurzer Zeit wieder zurückgegeben, mehr als 60 % der Anwälte sind über 50 Jahre alt, in den Kammern Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt liegt das Durchschnittsalter bei gut 55 Jahren. Ein Strukturproblem, keine Frage.

Was für die Anwaltschaft gilt, trifft auch für die Satzungsversammlung zu. In der aktuellen Legislaturperiode gehören ihr 29 „geborene“ und 91 gewählte Mitglieder an. Von Letzteren sind 35 erstmals gewählt, 56 waren bereits in einer oder mehreren früheren Legislaturperioden dabei. Der Frauenanteil unter den gewählten Mitgliedern beträgt rund 43 %, höher als der Frauenanteil in der Anwaltschaft, der bei 36,67 % liegt. So weit, so gut.

Über das Lebensalter der Mitglieder weiß man nichts, wohl aber über die Zulassungsdauer, und wenn das ein Indiz für das Lebensalter ist, dann sind junge Anwälte dort absolut unterrepräsentiert. Nun muss man auch erstmal fünf Jahre zugelassen sein, um überhaupt wählbar zu sein. Völlig anachronistisch. Als ob die Perspektive der Jungen weniger wichtig als die der Alten wäre. Stellen Sie sich mal vor, man würde von Bundestagsabgeordneten eine abgeschlossene Berufsausbildung und fünf Jahre Berufserfahrung verlangen, da wäre was los.

In unserem „Anwaltsparlament“ haben von den 91 gewählten Mitgliedern nur sieben eine Zulassungsdauer von fünf bis neun und sechs eine Dauer von zehn bis 14 Jahren. Die meisten Mitglieder sind seit mindestens 25 Jahren zugelassen, hierzu gehört auch der Kolumnist. Dass sich überdurchschnittlich viele zulassungsalte Mitglieder schon seit Jahrzehnten berufsrechtlich engagieren, ist nicht per se schlecht, aber ist vielleicht auch einer der Gründe dafür, dass die BORA starken Renovierungsbedarf hat. Und wenn man Gründe für die beklagenswert niedrige Wahlbeteiligung zur Satzungsversammlung sucht (zuletzt 9,4 %), dann wird man auch hier fündig. Es gibt ein Akzeptanzproblem, nicht nur unter den Jungen.

Away with the old? Natürlich nicht. Immerhin leiden wir in der Satzungsversammlung nicht unter Mitgliedern, die vom Kreißsaal über den Hörsaal in den Plenarsaal gekommen sind und da bar jeglicher Berufserfahrung ihr restliches Leben verbringen. Aber wenn wir über die Steigerung der Attraktivität des Anwaltsberufs nachdenken, müssen wir schon bessere Ideen haben als bisher. Wachsender Bedarf an Rechtsdienstleistungen und sinkende Anwaltszahlen können dazu führen, dass die Rechtsberatung irgendwann für Nicht-Anwälte freigegeben wird, denn irgendjemand muss es ja machen. 

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Markus Hartung ist Rechtsanwalt und Mediator in Berlin, Senior Fellow des Bucerius Center on the Legal Profession und Mitglied des Berufsrechtsausschusses des DAV.