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© NJW/Harald Schnauder

Ende vergangenen Jahres gab es eine Pannenserie beim sogenannten E-Examen, bei dem die Klausuren am Computer geschrieben werden können. Warum soll es bei der Digitalisierung auch ausgerechnet bei den Juraprüfungen, die insgesamt als sehr verstaubt gelten, besser laufen als in anderen Bereichen?

13. Jan 2025

Im ersten Durchgang eines elektronischen Zweiten Staatsexamens in Baden-Württemberg ließen sich bei einem Klausurtermin in Mannheim mit den Laptops keine Serververbindungen herstellen. Deshalb konnte auch die Schreibsoftware nicht geöffnet werden. Mehr als 90 Minuten lang versuchte der technische Support im Prüfungsraum, das Problem zu beheben. Dabei mussten jedes betroffene Gerät – zum Teil mehrfach – neu gestartet und der Login-Prozess wiederholt werden. Bei der Anspannung, die im Saal geherrscht haben dürfte, kann man froh sein, dass die Geräte nicht vollständig durchbrannten. Die Klausur konnte schließlich mit mehr als eineinhalb Stunden Verspätung doch noch starten. Sie verlief dann nach Angaben des Prüfungsamts ohne weitere Zwischenfälle. Allerdings zog sich die Bearbeitungszeit so weit in den Nachmittag, dass das LJPA unter den Prüflingen Brezeln und Bananen verteilen ließ. Für die dadurch entstandene Unruhe gab es insgesamt 15 Minuten Schreibzeitverlängerung. Immerhin bleibt so ein Termin den Betroffenen in ewiger Erinnerung, und man hat auf jeder Party eine gute Geschichte zu erzählen.

Kurz vorher hatten Examenskandidaten in München und Augsburg Ersatzklausuren schreiben müssen, weil ihre Laptops in der Prüfung nicht funktionierten: Die Akkus hatten die fünfstündige Klausur nicht durchgehalten. Pech hatten auch 50 Prüflinge im Ersten Examen in Bielefeld. Zwar gab es hier keine Technikprobleme, doch musste wegen eines Wasserschadens ihre Klausur kurzfristig nach Hamm verlegt werden, weil nur dort die Infrastruktur für das E-Examen vorhanden war.

In Bielefeld gab es zum Jahresende aber auch noch eine Erfolgsmeldung. Dort haben sie jetzt in einem Pilotprojekt die erste komplett digitalisierte Juraklausur Deutschlands geschrieben. Der Unterschied zum E-Examen: Die Prüflinge tippen ihre Falllösung nicht nur am PC, sondern nutzen dabei auch digitale Gesetzbücher. Bei der Korrektur der Arbeit soll Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen. Der nächste logische Schritt sei dann eigentlich, dass die Klausur auch von einer KI geschrieben werde, unkte ein Professor der Universität Bielefeld auf der Plattform X.

Trotz der technischen Pannen möchte niemand, der das E-Examen absolviert hat, wieder zum analogen Format zurück. Kürzlich erzählte mir ein junger Anwalt halb amüsiert, halb verzweifelt, dass er nach einem erfolgreich absolvierten Zweiten Staatsexamen mit E-Klausuren und der anschließenden Zulassung jetzt einen Fachanwaltstitel anstrebt. Die Klausuren hierfür musste er in seinem Kammerbezirk mit der Hand auf Papier schreiben. Es sei sehr anstrengend bis schmerzhaft gewesen. Die analoge Prüfung betrifft den Fachanwalt für IT-Recht. 

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Tobias Freudenberg ist Rechtsanwalt und Schriftleiter der NJW, Frankfurt a.M.