Kolumne

Neues Steuersparmodell?
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Foto_Gregor_Thuesing_WEB
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Der Koalitionsvertrag hat sich vorgenommen: „Wir machen die Mitgliedschaft in Gewerkschaften durch steuerliche Anreize für Mitglieder attraktiver.“ Das ist bereits ausführlich in der Vergangenheit diskutiert worden. Doch man sollte vorsichtig sein. Richtig ist: Tarifverträge sind wichtig, sie haben staatsentlastende Funktion. Denn wo die Tarifpartner eine Lösung gefunden haben, da braucht es kein Gesetz. Gleichzeitig gilt: Wo ein Vertrag fehlt, kann es sein, dass der Staat eingreifen muss. So haben weiße Flecken in der Tariflandschaft zum Mindestlohngesetz geführt.

26. Mai 2025

Wer also um die Bedeutung partnerschaftlicher Regelungen als Instrument des Arbeitnehmerschutzes weiß, für den hat der Vorschlag vielleicht einigen Charme. Um einen Anreiz zur Tarifbindung zu setzen, soll es künftig – so hat es die Gewerkschaftsseite vorgeschlagen – einen besonderen Steuerfreibetrag für Arbeitnehmer tarifgebundener Unternehmen geben. Vorbilder – und seien es auch nur entfernte – gibt es dafür nicht. Ein ehemaliger DGB-Vorsitzender hatte vor einiger Zeit zwar auf steuerbefreite Tarifaufschläge auf die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verwiesen, ebenso auf die Privilegierung von Aufstockungen des Kurzarbeitergelds durch den Fiskus. Aber der Vergleich trägt nicht allzu weit: Denn hier wie auch bei anderen Begünstigungen von Arbeitslohn (von der nicht unumstrittenen Steuererleichterung von Nachtarbeitszuschlägen bis zum Tankgutschein und der Beihilfe zur betrieblichen Gesundheitsvorsorge) differenziert die Politik nicht nach der Rechtsgrundlage, sondern knüpft an die Leistung selbst an. Und das ist auch richtig so, denn das Steuerrecht schaut zunächst auf die Leistungsfähigkeit des Steuerzahlers: Verdient er mehr, dann muss er auch mehr zahlen.

Das Steuerrecht geht dabei im Grundsatz von der Gleichwertigkeit der Einkunftsarten aus: Geld ist Geld, und das gehört seiner Höhe nach versteuert; unabhängig davon, wodurch der Ertrag generiert wurde. Nun aber nicht nur nach der Einkunftsart zu differenzieren wie bei der Abgeltungsteuer, sondern weitergehend auch noch nach dem Rechtsgrund (Tarif- oder Arbeitsvertrag), verstieße gegen diese Systematik. Das kann nicht allein mit einem Hinweis auf die in der Tat recht gestalt- und planlose Mischung der schier zahllosen Befreiungstatbestände in § 3 EStG überspielt werden. Dort ist einiges nur erklärbar, weil es so gewachsen ist. Aber auch dabei ist es durchgehend die Leistung selbst, die vom Finanzamt bevorzugt wird: Entgelt ist Entgelt – unabhängig von dessen Rechtsgrundlage. Die Defizite der Steuergerechtigkeit sind offensichtlich: Die Gewerkschaften würden mittelbar nicht mehr nur durch die Mitgliedsbeiträge finanziert werden, sondern zugleich durch die Steuerzahler. Für Beschäftigte würde es sich direkt auszahlen, in eine Arbeitnehmerorganisation einzutreten. Gewerkschaftsmitgliedschaft als Steuersparmodell – der Bruch mit dem Vorhandenen wäre tief. 

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Prof. Dr. Gregor Thüsing, LL.M., ist Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn.