Kolumne

Unabhängigkeit
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© Markus Hartung/Frank Eidel

Diese Kolumne behandelt seit neun Jahren den Rechtsmarkt, verstanden als den Ort, wo Anbieter von Rechtsdienstleistungen auf Rechtsuchende treffen. Da gibt es viel zu diskutieren, denn schon die Frage, ob es sich überhaupt um einen Markt handelt, ist streitig. Unstreitig ist nur, dass es Regeln braucht. 

5. Mai 2025

Auch der Begriff der Rechtsuchenden wird verspottet, denn Rechtsuchende seien doch eher diejenigen auf der Suche nach der richtigen Lösung einer Rechtsfrage, keinesfalls diejenigen, die für ihre Ehescheidung oder die Unternehmenstransaktion oder die Strafverteidigung rechtskundige Unterstützung benötigten. Aber egal, in § 1 I 2 RDG ist von Rechtsuchenden die Rede, und auch in der Fremdbesitz-Entscheidung des EuGH vom 19.12.​2024 heißt es, den Rechtsanwälten sei die in einer demokratischen Gesellschaft grundlegende Aufgabe übertragen, für die Rechtsuchenden einzutreten. Und die anwaltliche Vertretungsaufgabe, die im Interesse einer geordneten Rechtspflege auszuüben sei, bestehe vor allem darin, in völliger Unabhängigkeit und unter Beachtung des Gesetzes sowie der „Berufs- und Standesregeln“ die Interessen von Mandanten bestmöglich zu schützen und zu verteidigen. All das gehe einher mit dem Recht eines jeden Menschen, sich völlig frei an seinen Rechtsanwalt zu wenden, zu dessen Beruf es seinem Wesen nach gehöre, all denen loyal und unabhängig Rechtsberatung zu erteilen, die sie benötigten (EuGH NJW 2025, 425 Rn. 66).

Als der EuGH im Dezember 2024 die Bedeutung der anwaltlichen Unabhängigkeit so beschrieb, war die anwaltliche Welt noch in Ordnung, da ging es nur um Fremdbesitz. Seit im Februar 2025 das erste Dekret der US-Regierung gegen die Kanzlei Covington & Burling erlassen wurde, erscheint die EuGH-Entscheidung in völlig neuem Licht. Was die Trump-Administration an Attacken auf US-Kanzleien gestartet hat, ist ohne Beispiel. Sozietäten werden öffentlich diffamiert und gezwungen, hohe Millionenbudgets für „Pro-Bono-Mandate“ bereitzustellen, die von der Regierung vorgegeben werden. Nach einem Bericht der New York Times haben sich neun Kanzleien zu fast 1 Mrd. USD verpflichten müssen, manche sagen freigekauft. Weitere Maßnahmen bestehen unter anderem darin, Kanzleien Sicherheitsfreigaben zu entziehen, Druck auf Mandanten auszuüben, Mandate von Bundesbehörden zu kündigen und den Zugang zu Regierungsgebäuden zu verwehren. Alleiniges Ziel der Maßnahmen ist die Einschüchterung missliebiger Kanzleien. Es ist so unglaublich und unvorstellbar, dass es eine Zeit lang dauerte, bis sich Protest der Anwaltsverbände regte. Ob diese drakonischen Maßnahmen Auswirkungen auf deutsche Niederlassungen dieser US-Firms haben werden, weiß man noch nicht. Es ist bodenlos. Wäre die deutsche, die europäische Anwaltschaft, wäre die Rechtspflege vor solchen Attacken geschützt? Die Passagen aus der EuGH-Entscheidung sind in ihrer Eindeutigkeit eine gute Grundlage, aber das reicht vielleicht nicht aus. 

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Markus Hartung ist Rechtsanwalt und Mediator in Berlin, Senior Fellow des Bucerius Center on the Legal Profession und Mitglied des Berufsrechtsausschusses des DAV.